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Wildkatzenhybride: Katzenrassen auf dem schmalen Grad zwischen Faszination und Artenschutz


Maine Coon, Burma und Abessiner sind längst keine Besonderheit mehr in der Katzenwelt. Wer ein wirklich einzigartiges Tier sein Eigen nennen will, setzt auf ein Quäntchen Wildkatzenblut: Wildkatzen-Hybride sind der neuste Schrei in der Zuchtwelt. Besonders sind sie – doch sind derartige Kreuzungen auch immer besonders gut für das Tier? Von dem schmalen Grad zwischen Tierliebe, Faszination und artgerechter Haltung.

Noch Anfang des neunzehnten Jahrhunderts waren Großkatzenhybride Mode in den westlichen Zoos. Was sich für Tiergärten als nicht praktikabel erwies, ist dennoch auf die Kleinkatzenwelt übergeschwappt: Sogenannte Wildkatzenhybride werden mit immer mehr Begeisterung aus der Verpaarung wilder Katzenarten mit einer domestizierten Hauskatzenrasse geschaffen. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Bengal, entstanden aus der Kreuzung einer zahmen Hauskatze mit einer wilden Bengal-Katze. Die Verpaarung einer zahmen Hauskatze mit einem Serval wurde zur Savannah. Schön sind die neuen Katzenrassen, das muss man ihnen lassen. Bengalen und Savannah überzeugen mit einem langgestreckten Körperbau und einzigartigen Flecken, sie sind aufgeweckt und interessiert.

Auch die amerikanische Firma „Lifestyle Pets“ bietet neben hypoallergenen Tieren Wildkatzenhybride an: Ashera Cats, eine Kreuzung zwischen dem afrikanischen Serval und dem asiatischem Leoparden. Die Tiere wiegen laut Unternehmen bis zu 18 Kilogramm, werden bis zu 25 Jahre alt und kosten zwischen 22.000 und 28.000 Dollar. Die neue Katzenart soll besonders intelligent und besonders verspielt sein (hier geht es zu einem eigenen Artikel über Ashera Cats).

Ein Schmusetiger, der mit gewissen Eigenheiten eines Raubtieres glänzt – das aber natürlich nur im tragbaren Rahmen, denn die Hybride sollen durchaus für die Wohnungshaltung geeignet sein. Die neuste Schöpfung: Caracats (oft auch Karacats oder Karakats genannt). Caracats sind Verpaarung aus einem Karakal, einer mittelgroßen Raubkatze aus Westasien, dem mittleren Osten und Afrika, sowie Maine Coons. Im Jahr 2010 wurde ein deutsch-österreichisches Zuchtprojekt bekannt, samt der Eigengründung der „International Foundation for Wild and Hybrid Cats“ mit eigenen Rassestandards und Zuchtrichtlinien durch die Züchter. Kitten wurden noch nicht geboren, das Projekt wurde mittlerweile eingestellt und alle Informationen von den Seiten der ehemaligen Züchter entfernt. Ein weiterer Maine Coon Züchter aus der Nähe von München hat sich nun den Traum von einem Karakal erfüllt. Die Ursprünge der Caracat Zucht liegen in den USA – hier wurden Karakale mit Abessiniern gekreuzt (Link zur Homepage einer amerikanischen Cattery mit Fotos). Das Ziel ist eine Katze mit dem wilden und einzigartigem Aussehen eines Raubtiers und dem umgänglichen Charakter einer Hauskatze. Klingt faszinierend anders und faszinierend einfach – doch ist es das auch?

Die biologische Seite

Direkte Kreuzungen aus Wild- und Hauskatze nennt man „F1“-Tiere – aus einer erneuten Kreuzung mit einer Hauskatze wird ein „F2“-Tier und so weiter.

Gefährlich ist schon die Paarung zwischen Haus- und Wildkatze: Ein ungewohnter Geruch und unterschiedliche Körpersprache führen hier schnell zu Missverständnissen. Wildkatze bleibt Wildkatze und niemand kann garantieren, dass auch die angeblich handzahme Wildkatze im Eifer des Gefechtes nicht etwas zu grob mit der körperlich unterlegenen Hauskatze umgeht oder sie gar als Futter oder Feind ansieht.

Unterscheiden sich die gekreuzten Arten in ihrem Körperbau zu sehr, kann das Austragen eines Hybriden der F1 oder F2 Generation durch den Größenunterschied der Arten leicht zum Tod der kleineren Mutterkatze führen. Dazu kommt eine grundlegend unterschiedliche Tragedauer: Eine domestizierte Katze trägt so durchschnittlich 63 Tage – die Tragezeit von Karakalen wird je nach Quelle etwa zwischen 73 bis 80 Tagen angegeben, die eines Servals zwischen 72 bis 75 Tagen. Das kann zu unreif geborenen Hybridkitten ohne Saugreflex führen, die notwendige Handaufzucht sorgt oft für mangelnde Sozialisierung. Je länger die Mutterkatze trägt, umso besser sind die Überlebenschancen der Kitten – gleichzeitig steigt das Risiko für die Mutter auf Grund der zu großen Kitten.

Andere Probleme mit ähnlichen Auswirkungen ergeben sich bei Austragen der Kitten durch ein Wildkatzen-Muttertier: Eine gefährliche Paarung für die männliche Hauskatze, der Größenunterschied bei der Begattung und die eventuelle Verweigerung, die für die Wildkatzenmutter extrem kleinen Kitten aufzuziehen.

Entsprechend hoch ist die Sterberate der Föten im Mutterleib. Kein Wunder: Selbst bei nahe verwandten Arten passt die Physiologie nicht immer zusammen. Das zeigt sich schon bei Rassemixen von Hauskatzen: Die Nachkommen einiger Kreuzunge können einen durchweg unglücklichen Körperbau mit entsprechenden gesundheitlichen Einschränkungen und durch die unglückliche Verkettung rezessiver Gene mehr Erbkrankheiten als andere Katzen aufweisen. Dass sich das Problem bei einer Kreuzung mit Groß- und Wildkatzen weiter multipliziert, liegt auf der Hand. Dazu kommt die häufig vorkommende Sterilität der Nachkommen nach Haldanes Regel. Die Hauskatze besitzt biespielsweise 19 Chromosomenpaare, die Kleinfleckenkatze nur 18. Die „Safari-Katze“ genannte Kreuzung ist steril. Weibliche Savannah-Katzen sind ab der F1 Generation fruchtbar, fruchbare Männchen treten aber frühestens ab der F3 Generation, oft aber erst ab F4 oder F5, auf. Laut Joy Geisinger, der Besitzerin der vermutlich ersten Kreuzung in den USA, sollten auch die männlichen Nachkommen der ersten fünf Caracat-Generationen unfruchtbar sein.

1998 entstand die erste Caracat in einem Zoo in Moskau – trotz künstlicher Zooumgebung angeblich ohne Absicht. Summiert man alle Schwierigkeiten bei der Zucht von Hybridkatzen kommt dieses einem Sechser im Lotto gleich. Um einen Karakal zu einer erfolgreichen Paarung mit einer Hauskatze zu bewegen, müsste er idealerweise mit dieser aufwachsen. Doch mit einer erfolgreichen Verpaarung und Geduld ist es nicht getan.

Das Verhalten

Das Wildkatzenwesen kann sich auch bei gezähmten Elterntieren an die Kitten weitervererben. Hört sich die „Wildkatze im Wohnzimmer“ noch romantisch an, vergeht die Freude doch schnell, sobald das Tier aggressiv wird. Bei handaufgezogenen Kitten zeigt sich dieses Verhalten oft mit dem Eintritt der Geschlechtsreife, besonders ausgeprägt bei Tieren der F1 und F2 Generation.

Eine starke Neigung zu territorialem Verhalten und Markieren wird auch bei kastrierten Hybridkätzinnen beobachtet. Werden die Raubkatzen mit dem Hang zum spektakulären Fang von Vögeln aus der Luft auch im Iran heute noch zur Jagd abgerichtet, ist es doch unvollstellbar, dass diese Wildtiere sowie ihre Nachkommen wie eine normale Hauskatze gehalten werden können.

Patrick Rühl, Besitzer eines der ersten zahmen Karakale in Deutschland und Mitbegründer der geplanten deutsch-österreichischen Caracat-Zucht, hat ein anderes Bild von den Hauskatzeneigenschaften der Wildkatze: „Karakale und Servale sind dafür prädestiniert, mit Menschen zusammenzuleben. Aufzeichnungen belegen, dass sie sich selbst in freier Wildbahn vermehrt in der Nähe von Menschen aufhalten und von manchen Urvölkern sogar heute noch ohne Zwang als Haustiere gehalten werden. Verantwortungsvolle Halter, die vielleicht auch noch hin und wieder einen Spaziergang mit ihrem Karakal oder Serval unternehmen wollen, werden dem Tier also völlig gerecht“, so Rühl auf seiner Homepage. (Kurz nach Erscheinen dieses Artikels führte Pfotenhieb mit Herrn Rühl ein Interview über das geplante Zuchtprokjekt, mittlerweile hat er seine Homepage offline genommen (Stand: Januar 2015))

Die rechtliche Seite

Doch wann endet das Wildkatzendasein, wann beginnt die Hauskatzenwelt? Laut CITES, dem Washington Artenschutzabkommen, gelten Tiere der F1 Generation als Wildtiere. Auch das Bundesnaturschutzgesetz stellt fest, dass hybride Tiere, bei denen in den vorangegangenen vier Generationen ein oder mehrere Exemplare einer geschützten Art vorkommen, wie reine Arten unter die Artenschutzbestimmungen fallen und dementsprechend im Handel beschränkt sind. Für Wildkatzenhybride bis zur F4-Generation gelten also auch in Deutschland entsprechenden artenschutzrechtliche Bestimmungen ( Verordnungen vom 22. Juli 2010, Vollzugshinweise zum Artenschutzgesetz): Die Katzen benötigen als Nachkommen geschützter Tierarten bei Einfuhr in die EU eine CITES-Bescheinigung mit einer entsprechenden Haltungsgenehmigung.

[Stellungnahme:] Über Haltungsbestimmungen für Tiere der Generation F2 bis F4, die sich schon in der EU befinden, gibt es statt dessen Verwirrung. Wer Aussagen möchte, muss sich durch Gesetzestexte wühlen. Ein Hinweis hat uns zu weiteren Recherchen nach Veröffentlichung dieses Artikels bewogen und ergeben, dass die zitierten Artenschutzgesetze nur für die Einfuhr in die EU gelten und nicht für den innereuropäischen Handel. Das bedeutet: Wer ein Tier der Generation F1 bis F4 in die EU einführen will, muss ein entsprechenes CITES-Zertifikat beantragen und die benötigten Haltungsbestimmungen nachweisen. Für die reinen Wildtiere sowie ihre direkten Nachkommen gelten nach wie vor auch beim Handel innerhalb der EU gesonderte Haltungsbedingungen. Zumindest auf Seite des Artenschutzgesetzes konnten wir aber keinerlei gesetzliche Beschränkungen für den innereuropäischen Handel und die Haltung von Hybridkatzen ab F2 finden, sofern sie legal in die EU eingeführt wurden. Die Aussagen der Ämter bei telefonischen Nachfragen von Züchtern haben verschiedene und teilweise gegensätzliche Aussagen ergeben.

Eine direkte Stellungnahme von offizieller Behördenseite gegenüber Pfotenhieb liegt uns noch nicht vor – wir werden weiter nachforschen, ein Schreiben liegt dem Bundesministerium bereits vor. Wir bitten Sie, die in diesem Artikel gegebenen Informationen zum Thema Meldepflicht bis zur endgültigen Klärung mit Vorsicht zu genießen.

Ähnlich in unseren Nachbarländern: In Schweden ist die Haltung von Wildkatzenhybriden sogar grundsätzlich untersagt – auch hier gelten die Gesetze bis zur F4-Generation. Katzen der F5- oder weiteren Generationen dürfen als Haustiere gehalten werden. In Großbritannien ergibt sich ein ähnliches Bild: Die Bengal beispielsweise benötigt als Nachkomme der Prionailurus Bengalensis eine offizielle CITES Lizenz bis zur fünften Generation. Die Savannah der F1 und F2 Generation werden in Großbritannien nicht als domestizierte Katzen eingestuft.

Bürokratie oder Tierschutz? Die Meinungen gehen hier auseinander – unter Katzenfreunden und Katzenzüchtern und selbst unter Fachleuten wie Tierärzten und Biologen.

Die Haltung

Für geschützte Arten gelten bestimmte Haltungsbestimmungen in Deutschland: Das Bundesamt für Naturschutz fordert so für Wildkatzen und ihre direkten Nachkommen unter anderem ein Außengehege von mindestens 15 Quadratmetern Größe. Gar nicht so schwierig wie es klingt? „Es steht jedem frei, den Garten entsprechend einzuzäunen. Erfahrungsgemäß lieben unsere Tiere jedoch das direkte Zusammenleben mit den Menschen und bevorzugen daher das Haus als unmittelbaren Lebensraum“, schrieb Tiertrainer Rühl 2010 auf seiner mittlerweile nicht mehr erreichbaren Homepage über Savannah- und Caracat.

Andere Züchter sehen das anders. Anita Behr, Züchterin von Savannah, beschreibt die ideale Haltung der Rasse folgendermaßen: „Sie brauchen einen gesicherten Garten oder zumindest einen mit variablen Klettermöbeln ausgestatteten vernetzten, großen Balkon.“ Die Züchterin gibt zudem zu bedenken, dass die Generationen F1 bis F4 dem Artenschutzgesetz unterliegen: „Savannah dieser Generationen sind meldepflichtig, sie benötigen nach den Artenschutzgesetz ein Außengehege sowie ein beheiztes Innengehege von jeweils 15 Quadratmetern.“ Auch Bengalkatzen-Züchter Harald Fuchs stellt auf seiner Homepage heraus, dass sich gerade die Haltung von Bengal-Hybridtieren der F1 und F2 Generation von denen zahmer Hauskatzen unterscheidet. „Eine artgerechte Katzenhaltung solcher Wild- und Hybrid-Kätzchen und Katzen ist auf Dauer nur möglich, wenn die Besitzer von vorne herein die Bedingungen zur artgerechten Wildkatzenhaltung erfüllen und dementsprechende Gehege bauen, mit beheiztem Innenteil und großflächigem Gehege im Garten. Gemeint sind moderne, artgerechte Kleinkatzengehege“, so Fuchs.

Savannah-Züchterin Renate Remplein sieht das ähnlich. „Den Wild-Hybridkatzen Interessenten wird oft vorgegaukelt, die Haltung und die Ernährung sei wie bei jeder anderen Katze. Doch ein Serval oder eine Savannah F1 – F2 – F3 sollte einen möglichst annähernd artgerechen Lebensraum  und Futter erhalten“, verrät sie im Gespräch mit Pfotenhieb. Ihr eigener Serval durfte sich bis zu einem Alter von sieben Monaten frei im Haus bewegen, dann war dies aufgrund seines Temperaments nicht mehr möglich. „Blumentöpfe, Vasen, Lampen fielen ihm zum Opfer, der Flachbildfernseher konnte gerade noch gerettet werde. Auch ausserhalb des Geheges im elektronisch gesicherten Garten war keine Sicherheit mehr gegeben.“ Der Serval zog mit einer Savannah-Kätzin aus dem eigenen Bestand von seinem ursprünglichen Gehege, das zweimal so groß war wie von den Behörden vorgesehen, in ein noch großzügigeres Gehege – mit fast 100 Quadratmetern, 3,50 Meter hohen Wänden, Wasserstelle, Steinhöhle, viel Klettermöglichkeiten und einem großen Innenraum. Die Nachzucht der beiden lebt bei der Züchterin, „denn für eine F1 ist unser Gehege bestens geeignet und sie darf natürlich in den Garten und ins Haus.“ Remplein gibt zudem noch zu bedenken dass „wer einen Serval halten kann und will, sollte ein nicht zu kleines Kitten zu sich nehmen. Es werden meistens Jungservals zwischen einem Alter von fünf Tagen und vier Wochen angeboten, unser Kater war acht Wochen alt, als er zu uns kam.“

Der Mittelweg

All diese Fakten zu einem gehbaren Mittelweg auszubauen ist schwer. Wir möchten hier keinesfalls grundsätzlich gegen Hybridkatzenrassen wie Savannah, Bengal, Chausie und Co. sprechen, ist die Faszination derartiger Katzen doch leicht nachzuvollziehen. Wildkatzenhybride sind schön und etwas wirklich Besonderes, keine Frage. Ab einer späteren Generation unterscheidet sich auch ihre Haltung nur gering von der anderer bewegungsliebenden Katzenrassen. Dennoch hat die Zucht in den ersten Generationen Nachteile und Gefahren, die nicht zu verachten sind.

Motivation einer Zucht sollte nicht allein die einer faszinierenden Neuschöpfung sein. Züchter sollten sich generell fragen, welche Art Katzenfreund ihrem Nachwuchs ein artgerechtes Leben ermöglichen kann – das gilt umso mehr für Hauskatzen mit Wildtierblut. Was passiert mit Nachkommen, die nicht nur den Körperbau, die Aktivität und Sprungkraft ihrer wilden Vorfahren geerbt haben, sondern auch ein Wesen aufweisen, das sich nicht mit einer Haltung im Haus vereinbaren lässt?

Einen Weg zu gehen, den die Natur nicht vorgesehen hat, ist mit modernen Zuchtmethoden möglich – dennoch sollte hier nicht nur an das Zuchtziel an sich gedacht werden, sondern auch an die Katzen, die dahinterstehen, egal ob Elterntiere oder Nachwuchs.

Mehr Infos

Aufgrund der Brisanz dieses Themas werden wir in den nächsten Wochen einige Spezialartikel zur artgerechten Haltung und Ernährung von Wildkatzenhybriden veröffentlichen.

Informationen zu Artenschutzverordnungen:

Schutz wildlebender Tier- und Pflanzenarten laut EU

Bundesartenschutzverordnung

Washingter Artenschutzübereinkommen, Informationen auf Deutsch

Wissenschaftliches Informationsystem zum Internationalen Artenschutz:

Regulation of Trade in animal hybrids CITES

Weitere Informationen der EU zum Handel mit geschützten Arten

Zum Weiterlesen:

Verwirrung über Ashera-Cats: Einzigartiges Lifestyle-Accessoire, neue Rasse  oder völliger Schwindel?

Interview zur geplanten Caracat-Zucht

Interview mit Dr. Mircea Pfleiderer, Assistentin von Paul Leyhausen, bei Tier.tv

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MK

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