Katzenernährung

Von der Milchsemmel zum Festtags-Ragout: Katzenernährung im Laufe der Zeit

Anna ist verzweifelt. Sie steht in einem großen Geschäft für Tierbedarf, ihr Einkaufswagen ist leer, die Regale dafür umso voller. Wie viele andere Katzenhalter will auch sie nur das Beste für ihre vierbeinigen Hausgenossen. Kein Wunder also, dass der Markt von Dosen, Schälchen und Beutelchen verschiedenen Katzenfertigfutters überschwemmt ist.

Vom Discounter- über Premium-, High-Premium- und Ultra-Premium-Futter in verschiedensten Geschmacksrichtungen mit Gelee, Soße oder als Paté, „dampfgegart“ für die besonders anspruchsvolle Mietz oder passend zu verschiedenen Anlässen als „Festtags-Ragout“ – kein kulinarischer Wunsch bleibt der Katze unerfüllt. Selbst Functional-Food gibt es schon auf dem Tierfuttermarkt: Trockenfutter und Leckerchen gegen den – teilwiese vom restlichen Futter herrührenden – Zahnstein, extra auf die Bedürfnisse bestimmter Rassen abgestimmte Pellets, Futter für schöneres Fell, strahlende Augen, für aktive Freigänger und träge Wohnungskatzen. Der vollständige Überblick über die verschiedenen Marken und Sorten dürfte keinem Tierhalter mehr gelingen. Auch Anna nicht. Sie studiert die Etiketten einiger neu auf den Markt gekommener Dosenfutter, packt eine Dose zur Probe ein und kauft ansonsten dasselbe Futter wie immer. „Früher hat man nicht so viel Aufhebens um Katzenfutter gemacht“, erinnert sich die 78-Jährige. „Die Katzen bei meinen Eltern auf dem Hof haben überhaupt kein Futter bekommen, sondern sich ausschließlich von selbst gefangenen Mäusen ernährt. Nur ab und an hat man ihnen ein paar Essensreste oder Milch hingestellt, das war aber eher die Ausnahme.“

Selbstversorgung adé
Was Anna da schildert war noch vor etwa 50 Jahren kein Einzelfall, sondern alltäglich. Die Katze hatte als draußen lebende und sich selbst versorgende Mäusefängerin keinen hohen Stellenwert, weshalb sich auch niemand Gedanken um ihre artgerechte Ernährung machte. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts veränderte sich ihre Funktion und damit die Aufmerksamkeit, die man ihr und ihrer Ernährung schenkte.

Langsam aber stetig zogen die Leisetreter gerade in Städten in die Wohnungen ein und schnurrten sich in das Herz ihrer Bewohner. Auch als Versuchstier wurde die Katze immer beliebter und somit übernahm immer mehr der Mensch die Nahrungsbeschaffung für die Samtpfoten. Gefüttert wurden Essensreste, Milch, Brot und Fleisch. Im Buch des Ersten Deutschen Angorakatzen Schutz- und Zuchtvereins von 1927 steht dazu, dass die Nahrung der Tiere im Allgemeinen aus in Milch eingeweichten Semmeln, Haferflocken, Gries, Reis und billigem Fleisch bestehe, das roh oder gekocht verabreicht werden könne. Vor allem während der Tragzeit solle die Katze viel rohes Fleisch fressen. Die gelegentliche Fütterung von Gemüse, wie Spinat, Bohnen und gelben Rüben trage sehr zum Aufbau des Körpers der Angorakatze bei und auch rohes Ochsenrückenmark diene der Vorbeugung von Krankheiten.

Bei der Fütterung von Laborkatzen kam es darauf an, dass die Tiere möglichst günstig und gut ernährt werden konnten, um aussagekräftige Versuchsergebnisse zu bekommen. Dazu griff man unter anderem zu billigem Dosenlachs, Pferde- und Geflügelfleisch, Schlachtabfällen und Hundetrockenfutter. Generell wurde die Katze lange Zeit wie ein kleiner Hund behandelt, was sich erst nach dem zweiten Weltkrieg langsam ändern sollte.

Einzug des Fertigfutters
Mit der steigenden Zahl der ausschließlich in der Wohnung gehaltenen Stubentiger und denen in den Versuchslaboren stieg das Interesse an einem Fertigfutter, mit dem Katzen einfach und vollständig ernährt werden können. Nachdem schon der englische Chemiker James Spratt Mitte des 19. Jahrhunderts Hunde- und auch Katzenfutter produzierte, brachte die Firma Mars 1958 das erste Dosenfutter für Katzen unter dem Namen Whiskas heraus und etwa zwanzig Jahre später auch Trockenfutter. In den 70ern folgte das Dosenfutter „Prescription Diet Feline“ von Hills, 1981 Trockenfutter von Iams und 1990 schließlich das erste Diätfuttermittel zur Bekämpfung ernährungsbedingter Krankheiten – die teilweise sogar durch Fertigfutter selbst ausgelöst wurden.

Ernährungsbedingte Krankheiten
Während Harnsteine bei Katzen im 19. Jahrhundert eher selten beobachtet werden konnten, nahm deren Häufigkeit nach Einführung der ersten Trockenfutter deutlich zu. Auch eine von Annas Katzen litt bereits an Harnsteinen, erinnert sie sich: „Damals habe ich auch fast ausschließlich Trockenfutter gefüttert. Es war praktisch und viel günstiger als Nassfutter und man sagte immer, beim Dosenfutter würde man ja nur für Wasser bezahlen. Heute füttere ich abwechslungsreicher, aber nicht weil ich Trockenfutter für schlecht halte. Wer weiß, ob es wirklich Schuld an der Erkrankung war, auch wenn meine Enkelin das gerne behauptet. Trotzdem gehe ich lieber auf Nummer sicher und den Katzen schmeckt es. Das ist ja schließlich die Hauptsache.“

Durch falsche Fütterung ausgelöste Krankheiten gab es aber nicht erst seit Erfindung der Fertigfutter. Schon zu Zeiten als Katzen sich noch selbst versorgten, spielten solche Krankheiten eine Rolle, wurden allerdings durch fehlende tierärztliche Versorgung oft nicht erkannt, geschweige denn behandelt. Allein die Beutetiere der Katze können Krankheiten übertragen, vor allem aber Parasiten.

Ernsthaftere Probleme tauchten erst auf, als die Fütterung durch den Menschen übernommen wurde. Die speziellen Anforderungen an die Nahrung der Katze waren noch nicht bekannt, weshalb es oft zu gefährlichen Über- und Unterversorgungen mit bestimmten Vitaminen und Mineralien kam. Oft wurde zu viel Leber gegeben, was zu einer Überversorgung mit Vitamin A und damit zu Knochendeformationen führte. Durch einseitige Fleischfütterung entstanden oft Jod- und Kalziummangel und damit verbundene Krankheiten wie zum Beispiel Knochenweiche. Das ausschließliche Füttern von gekochtem Fleisch verursachte Störungen bei der Entwicklung von Skelett, Zähnen und Geschlechtsorganen. Einige Katzen erlitten Sehstörungen oder erblindeten sogar durch einen Mangel an Taurin. Auch verschiedene Hauterkrankungen und Allergien durch einseitige und falsche Fütterung waren (und sind leider auch heute noch) keine Seltenheit.

Katzenfütterung heute
Obwohl die heutzutage auftretenden ernährungsbedingten Krankheiten deutlich harmloser sind als die oben beschriebenen, gehen immer mehr Menschen dazu über, Katzennahrung wieder selbst zuzubereiten. Ob roh oder gekocht, hier ist einiges an Wissen nötig, damit es nicht zu Nährstoffmangeln oder -überversorgungen kommt. Der deutlich überwiegende Teil der Katzenhalter greift aber weiterhin auf das praktische Fertigfutter zurück, was auch in den meisten Ratgebern zu dem Thema seit einiger Zeit – lediglich ergänzt durch Frischfutter – empfohlen wird. Es gibt allerdings auch schon Bücher, die ausschließlich die ausgewogene Rohfütterung, auch B.A.R.F. genannt, erklären. Von B.A.R.F. hat Anna noch nie etwas gehört, rohes Fleisch gibt es für ihre Mietzen allerdings schon: „Rohes, aber auch gekochtes Fleisch mögen meine Katzen ganz besonders. Darum bekommen sie auch immer etwas ab, wenn ich vom Metzger komme oder wenn etwas vom Essen übrig bleibt. Ausschließlich würde ich das allerdings nicht füttern, da hätte ich viel zu viel Angst etwas falsch zu machen. Die Mischung macht’s!“ So wie Anna denken viele und bieten weder ausschließlich das eine noch das andere an. Eine gute Entscheidung, wenn man bedenkt wie schnell einseitige Ernährung zu Erkrankungen führt und sich das Wissen zum Thema Katzenernährung ändern kann.

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MK

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