Bald ist es wieder so weit. Die Zeit, in der die Menschen noch seltsamer werden als sonst. Seit Wochen schon kommen sie dick bepackt nach Hause, machen geheimnisvolle Gesichter und rufen in regelmäßigen Abständen „Nein, dieses Jahr wird mir das alles zuviel!“, nur um ein paar Stunden später auf dem Sofa zu sitzen und zu seufzen: „Ach, wie ist die Adventszeit doch schön.“ Sie nennen das alles „besinnlich“.
In der Besinnlichkeitszeit stellen die Menschen überall in der Wohnung kleine Lichter auf und behängen die Fenster mit bunten Lampen. Manche Lampen leuchten und blinken so stark, dass es in den Augen weh tut. Ich vermute, dass sie das machen, um Eindringlinge fernzuhalten. Dabei würde ich einen Einbrecher mit links erledigen!
Viele Menschen holen sich auch einen Baum in die Wohnung. Ich meine einen echten Baum, nicht so ein olles Ding, das sie mir hingestellt haben, damit ich meine Krallen daran wetze. Letztes Jahr habe ich auf einen richtigen Baum gehofft, schön groß, mit vielen Ästen und Zweigen. Doch dann habe ich mitbekommen, dass das Dosenöffnermännchen gesagt hat: „Nein, das mit dem Baum lassen wir besser – wegen der Katze“.
Wegen der Katze? Ich war ganz verdattert, doch dann wurde mir klar, dass es sich um ein Missverständnis handeln muss. Die Dosenöffner denken wahrscheinlich, dass ich keine echten Bäume mag. Dabei liebe ich es, auf ihnen herumzuklettern und kann sogar hervorragende Kunststückchen machen! Meine Versuche, Ihnen das begreiflich zu machen, sind natürlich gescheitert.
Der Abend, an dem die Dosenöffner die Sachen, die sie vorher wochenlang in Schubladen und Schränken verschlossen hielten, aus buntem Papier gewickelt haben, war trotzdem schön. Ich kann nämlich nicht nur ausgefeilte akrobatische Übungen auf Bäumen vorführen, ich bin auch ziemlich gut im Dekorieren von Wohnzimmern mit kleinen Papierschnipselchen.
Beendet wird die Besinnlichkeitszeit mit ganz viel Krach. Ein paar Tage nach dem Sachenauswickeln schießt und knallt es wie verrückt (den Grund dafür habe ich noch nicht herausbekommen, aber meine Intuition sagt mir, dass es zwischen diesem ohrenbetäubenden Lärm und den unterdrückten Spannungen während der Besinnlichkeitszeit einen kausalen Zusammenhang geben muss). Es ist jedenfalls gar nicht schön und ich hoffe, dass ich nicht wieder so lange knurren muss, bis sie damit aufhören.
Warten wir also ab, wie es dieses Jahr wird. Vielleicht bekomme ich ja doch noch einen Baum?
Frohe Weihnachten wünscht Loki Schmidt, Dame von Welt
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