Natürliche Heilmethoden liegen im Trend. Während viele Tierhalter aber von der Wirksamkeit von Bachblüten, Schüssler-Salzen, Homöopathie und Co. überzeugt sind, pochen Kritiker darauf, dass sich rein rechnerisch oft kein Atom der Wirksubstanz im Medikament befindet. Einen Wirkmechanismus der natürlichen Medikamente hat die Wissenschaft nach wie vor nicht gefunden – beruht die Wirkung also nur auf dem so genannten „Placeboeffekt“? Was steckt dahinter?
Ein „Placebo“ ist ein Scheinmedikament, das keine Wirksubstanz erhält und darum im medizinischen Sinne keine Wirkung haben kann. Die hat es dennoch: In klinischen Studien wurde herausgefunden, dass sich die Erwartungshaltung eines Menschen auf seine Genesungsverlauf auswirkt – auch dann, wenn er Zuckertabletten statt Kopfschmerzmedizin erhält. Geprägt wurde dieser Begriff unter dem Namen „Placeboeffekt“. Dass der Glaube Berge versetzen kann, ist keine Erfindung der modernen Medizin. Schon Plato (427–347 vor Christus) war der Meinung, dass Worte durchaus die Kraft haben, Kranke zu heilen. Mittlerweile haben klinische Studien den Effekt untersucht: Sie befassten sich sogar mit äußerlichen Aspekten von Tabletten und Kapseln. In einer 1970 im British Medical Journal veröffentlichten Studie zeigte sich, dass die Wahrnehmung der Tabletten von deren Farbe beeinflusst wird. Ein 1982 erschienener Artikel im Journal of Clinical Psychopharmacology ging noch weiter: Kapseln würden als wirksamer empfunden als Tabletten. Auch die Anzahl und Größe der Tabletten beeinflusse die Wahrnehmung der Tablettenstärke.
Doch auch, wenn der Placeboeffekt beim Menschen als unbestreitbar gilt, stand der Wirkmechanismus bei Tieren bisher nicht gesichert und war eines der effektivsten Argumente für die Wirksamkeit naturheilkundlicher Methoden – auch dann, wenn sich in vielen Bachblütenmischungen und Homöopathika aufgrund der starken Verdünnung rechnerisch kein einziges Atom der Wirksubstanz befindet. Bachblüten wirken nämlich genau wie homöopathische Präparate auf “feinstofflicher” Basis mit Verdünnungen, in denen sich rein rechnerisch kein einziges Atom der ursprünglichen Substanz mehr befinden darf. Im Bereich der homöopathischen Verdünnung D23 beispielsweise, also 1:100.000.000.000.000.000.000.000, wirkt die Arznei nach dem Arzt Dr. med. vet. Wolfgang Becvar nur noch über Materiestrahlung – einer so genannten „Aura“. Desto höher die Verdünnung, desto höher die Potenz und desto höher das „Energielevel“. Bei Hochpotenzen reiche schon der kurze Kontakt mit der Schleimhaut des Tieres, damit die feinstoffliche Information übertragen wird und die Wirkung eintrifft. Auch die Wirkung der Schüßler Salze beruht nach heutigen Erkenntnissen auf katalytischen Prozessen: Die Salze schließen keine “Lücke” bei der Mineralstoffversorgung, sondern bewirken, dass dem Körper zugeführte Nahrungsstoffe in der richtigen Weise umgesetzt werden und richtig weiterverarbeitet werden, beispielsweise bei der Blutherstellung, Speichel, Aufbau des Gewebes und anderen Prozessen.
Doch Tiere können sich schließlich nicht einbilden, dass der Tierarztbesuch sie von Schmerzen befreien, Arthritis verschwinden lässt oder für glänzendes Fell sorgt. Ganz im Gegenteil! Oder?
Tierische (Ein-)Bildung
„Egal, ob es einen Placeboeffekt beim Menschen gibt oder nicht – es gibt nur wenige Beweise für einen derartigen Effekt bei Tieren“, so Tierarzt David Ramey in seinem Artikel „Is There a Placebo Effect for Animals?“ auf sciencebasedmedicine.org. Ramey ist Co-Autor des Werkes “Complementary and Alternative Veterinary Medicine Considered”. Tiere könnten den gewünschten Effekt eines Medikamentes nicht wie Menschen erkennen und sich eine potentielle Wirkung einbilden. Allerdings sei Konditionierung eine mögliche Erklärung für einen Placebo-Effekt bei Tieren. Die Klassische Konditionierung ist eine meist unbewusst erlernte Reaktion auf einen Reiz. „Die Theorie der Konditionierung besagt, dass körperliche Veränderungen nach Auftreten eines Reizes, der derartige Änderungen schon vorher hervorgerufen hat, auftreten können“, so Ramey. Mögliches Beispiel ist eine Katze, deren Krankheitssymptome bisher nach dem ein- oder mehrmaligen Besuch einer Tierarztpraxis nachließen.
Tierheilpraktikerin Sylvia Zahnwetzer war Inhaberin der mobilen Tierheilpraxis „BIT für Tiere“ und betreute Vierbeiner und ihre Menschen in und um Bochum. Daran, dass Tiere einen Zusammenhang zwischen der Einnahme einer Tablette und einer Verbesserung ihrer Krankheitssymptome feststellen können, glaubt sie nicht. Für sie sind Verhalten und Zuneigung des Menschen sowie die Aufmerksamkeit im Krankheitsfall ausschlaggebend. „Ich denke, das Tier merkt, dass man ihm helfen will. Einer Katze eine Tablette zu geben ist beispielsweise deutlich einfacher, wenn man keine große Sache daraus macht und sie einfach unters Futter mischt. Wenn ich mein Verhalten ändere, dann werde ich die Tablette nicht in die Katze bekommen – sie „riecht“, dass etwas faul ist. Und auch, wenn die Katze es gar nichts von der Medikamentengabe bemerkt, hilft diese dennoch.“ Tatsächlich: Dass das Verhalten des Menschen einen großen Einfluss auf das Befinden des Tieres hat, ist mittlerweile sogar wissenschaftlich belegt: Streicheln beruhigt die Herzfrequenz von Hunden und Pferden. “Es ist plausibel, dass der Kontakt zwischen Tier und Mensch eine wichtige Rolle in den Reaktionen auf die jeweilige Therapie spielen kann“, sagt auch Tierarzt und Buchautor Ramsey. Diese Erfahrung macht auch Sylvia Zahnwetzer immer wieder: „Oft haben Mensch und Tier eine innige Beziehung zueinander. Hat der Mensch Stress, spürt dies auch das Tier. Geht es dem Menschen gut, geht es dem Tier gut.“
Naturheilkunde mit Wirkung
Eine interessante Studie zum Thema Placebo-Effekt kommt aus England: In der im Veterinary Journal veröffentlichten Studie „A double-blind placebo-controlled study into the efficacy of a homeopathic remedy for fear of firework noises in the dog” untersuchten Nina R. Cracknell und Daniel S. Mills die Wirkung von Placebomedikamenten auf Hunde mit Angst vor Silvesterböllern. 35 Hunde bekamen Tropfen mit fünf Wirkstoffen in homöopathischer Verdünnung und 20 Prozent Alkohol, 40 Tiere erhielten Tropfen mit reinem Wasser und ebenfalls 20 Prozent Alkohol. Das Ergebnis: Die Wissenschaftler konnten keinen Unterschied zwischen den beiden Versuchsgruppen feststellen. Es scheint also durchaus einen Placebo-Effekt bei Tieren zu geben.
Doch spricht das Vorliegen eines tierischen Placebo-Effektes wirklich gegen die Wirksamkeit von naturheilkundlichen Methoden – oder wäre dies eine falsche Schlussfolgerung, können Placebo-Effekt und Wirksamkeit von naturheilkundlichen Methoden nebeneinander existieren? Tatsächlich ist der Ansatz naturheilkundlicher Methoden ein anderer als in der Schulmedizin: Alternative Therapien betonen den Zusammenhang zwischen Körper und Geist. Als „ganzheitliche“ Methoden gehen sie nicht nur auf die Krankheitssymptome ein, es wird auch der seelische Aspekt beachtet: Das können eine aktuelle Unruhe in der Katzengruppe, der Tod eines geliebten Menschen oder eine völlige Futterverweigerung sein. Diese Betrachtungsweise trägt zum Erfolg naturheilkundlicher Methoden bei – auch dann, wenn die „medizinische“ Wirkung der einzelnen Präparate nicht nachgewiesen werden kann.
Der rechtliche Rahmen
Der Glaube daran, dass Homöopathie zwar wirkt, aber keine negativen Effekte hat, ist stark verwurzelt. In der Folge existiert in Deutschland kein gesetzlicher Rahmen für das Berufsfeld des Tierheilpraktikers, jedermann darf den Beruf ausüben. Die deutsche Tierärztekammer empfiehlt interessierten Tierhaltern darum, sich an einen Tierarzt zu wenden, der sich zusätzlich auf alternative Heilmethoden spezialisiert hat. „Veterinärmediziner haben den Beruf in fünfeinhalb Jahren in Theorie und Praxis erlernt und sich gegebenenfalls weitere zwei Jahre in Akupunktur, Homöopathie, Biologischer Tiermedizin, Physiotherapie oder Verhaltenstherapie weitergebildet. Keine andere Berufsgruppe kann ein ähnlich breites Spektrum an Fachwissen bieten.“ Das Weiterbildungskonzept der Bundestierärztekammer umfasst mindestens 120 Stunden Lehrprogramme in 12 Kursen. Ein Beweis, dass Homöopathie mittlerweile auch von der Medizin anerkannt ist? Ganz und gar nicht: Die Medizinische Fakultät der Universität Marburg erklärte im Ärzteblatt vom 3. März 1993 die Homöopathie zur Irrlehre: Ihr Wirkprinzip sei (unabsichtlich durchgeführte) Täuschung des Patienten, verstärkt durch die Selbsttäuschung des Behandlers“.
Für den Tierhalter macht dies die Entscheidung für oder gegen Naturheilkunde nicht einfacher. Soll er sich einem Wirkkonzept anschließen, das nicht wissenschaftlich belegt ist – oder soll er sich der möglichen positiven Wirkung, von der viele Tierhalter berichten, von vornherein verweigern? Die beste Lösung ist wie immer der Mittelweg. Naturheilkundliche Methoden allein werden keine schweren Krankheiten heilen, darum sollte der erste Weg bei Unfällen und akuten Erkrankungen Richtung Tierarztpraxis führen. Ist das Tier stabilisiert und steht ein Behandlungsplan fest, können die Methoden in Absprache mit dem jeweiligen Tierarzt ergänzend eingesetzt werden.
Quellen:
Cracknell, Nina R, and Daniel S Mills. “A double-blind placebo-controlled study into the efficacy of a homeopathic remedy for fear of firework noises in the dog (Canis familiaris).” Veterinary Journal (London, England: 1997) 177, no. 1 (July 2008): 80-88.
Gantt, WH, Newton, JO, Royer, FL, et al. Effect of person. Conditional Reflex 1966
Lynch, B. Heart rate changes in the horse to human contact. Psychophysiology 1974
Sciencebasedmedicine.org: Placebo Effect for Animals
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