Das Thema Wildkatzenhybridzucht erhitzt die Gemüter. Was viele Katzenfreunde nicht wissen: Neu ist das Thema absolut nicht. Schon im achtzehnten Jahrhundert wurden Bemühungen bekannt, Haus- und Wildkatzen zu kreuzen – und auch in der Natur gibt es seit Urzeiten natürliche Kreuzungen verschiedener Spezies ohne Zutun des Menschen. Doch wie wahrscheinlich sind natürlich entstandene Wildkatzenhybride in Europa tatsächlich?
von Lena Landwerth
Manchmal verschwimmen die Welt der Mythen und die der Biologie. Als Anfang der 80er Jahre in Schottland eine große, schwarze Katze gefunden wurde, die den „Cait Sith“ aus der keltischen Mythologie stark ähnelte, war die Fachwelt in Aufruhr. Die später „Kellas Cat“ genannten Katzen sind laut dem Kryptozoologen Karl Shuker Nachfahren von Hybriden der schottischen Wildkatze und Hauskatzen, die sich kontinuierlich untereinander fortpflanzten, eine Art natürliche Rückzüchtung und so einen Übersprung von genetischen Merkmalen der einen auf die andere Art erreichten. Genetische Belege für die Abstammung der Kellas Katzen sind der Redaktion nicht bekannt – die bisherigen Untersuchungen bestanden ausschließlich aus morphologischen Einordnungen.
Doch die Kellas Katze ist nicht alleine. So wurden mehrmals große, schwarze Katzen auf den britischen Inseln beobachtet, derartige Sichtungen schafften es sogar bis auf BBC. Belege für die Existenz derartiger Katzen gibt es bis auf Videoaufzeichnungen nicht.
Hybridisierung ohne Zutun des Menschen?
Gibt es tatsächlich natürlich auftauchende Wildkatzenhybride – und wenn ja, wie häufig sind sie? Aus der Biologie ist bekannt, dass Kreuzungen verschiedener Spezies auch in der freien Natur entstehen, wenn sich die Lebensräume zweier nahe verwandter Arten überschneiden. Dass es Hybride zwischen Hauskatzen (felis silvestris f. catus) und europäischen Wildkatzen (felis silvestris silvestris) geben soll, ist also nicht ausgeschlossen.
Darüber, wie häufig es derartige Hybride wirklich gibt, streiten sich die Fachleute. Einige Forscher sehen „Blendlinge“ genannte Wildkatzenhybride als Bedrohung für das Wildkatzenvorkommen in Europa an: Nachkommen vom europäischer Wildkatze und domestizierten Katzen, die beide der Art felis silvestris angehören, sind durch die gleiche Chromosomenanzahl beider Spezies fruchtbar und können so zu einer langfristigen Veränderung der Art führen. So weist die „Schutzgemeinschaft Deutsches Wild“ darauf hin, dass Kreuzungen zwischen Europäischer Wildkatze und Hauskatzen die Wildkatzenpopulation bedrohen.
Das äußere Erscheinungsbild einer Katze reicht dabei aber nicht annähernd zur Identifikation eines Wildkatzenhybriden aus: Nicht alles, was wir ein Wildkatzenhybrid aussieht, ist auch einer. Sind auch viele Katzenfreunde stolz auf die angebliche Katze mit Wildkatzenblut, entstehen große, gestromte Katzen mit großen Pfoten und einer eigenwilligen Persönlichkeit auch ohne Zutun einer Wildkatze. Zuverlässige Ergebnisse liefert so nur die DNA-Analyse.
Studien
Was sagt die Wissenschaft dazu? Laut einer Studie aus dem Jahr 2000, die 24 Wildkatzen aus der Eifel mit Hilfe molekularer Marker untersuchte, gibt es nur eine geringe Überschneidung der Genpoole, dafür aber die theoretische Möglichkeit einer Hybridisierung. Eine im Jahr 2009 im Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research veröffentlichten Studie zeigt, dass 18,4 Prozent der gesamten Wildkatzenpopulation in Deutschland hybriden Ursprungs sind – 4,2 Prozent in Osteuropa, 42,9 in Westeuropa und nur 2,7 Prozent der Hauskatzen. Die Forscher hatten die mitochondriale DNA von 86 Katzen in Kombination mit elf molekularen Markern von 149 Katzen untersucht. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2003 wiederum will gezeigt haben, dass es keine Introgression von verwilderten Hauskatzen in Wildkatzenbestände gegeben haben soll.
Die Frage, die sich nicht nur Biologen stellen: Wie weit geht die natürliche Evolution, wo fängt der Artenschutz an? Kreuzungen verschiedener Spezies gab es während der vergangenen Millionen Jahre – ebenso wie das Entsehen neuer und das Verschwinden alter Arten durch den herrschenden Evolutionsdruck. Doch ist die durch den Menschen domestizierte Hauskatze als „natürliche“ Art anzusehen, wie bewertet man die Entsehung von Blendlingen durch die Vermischung von Wild- und Hauskatzengenen? Eine klare Antwort wird es hierauf wohl nie geben.
Quellen und Links:
Ökologie und Biologie der Wildkatze
Unterscheidungsmerkmale von Wild- und getigerter Hauskatze
DNA-Analysen zum genetischen Status der Wildkatze in Deutschland
Studie über die Hybridisierung von Wildkatzen in Thüringen
Video über „British big cats“ bei BBC
Katzenhybride bei messycats.com
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