Unsere Hauskatze ist im Inneren noch ganz Wildtier. Kein Wunder, schließlich ist ihre Domestikationsgeschichte im Gegensatz zu der des Hundes relativ jung! Dennoch hat das Jahrtausendlange Zusammenleben mit den Menschen unsere Stubentiger auf genetischer Ebene verändert, wie neuste wissenschaftliche Untersuchungen zeigen.
Unsere Katze besteht wie jedes Lebewesen aus Billionen von Zellen. Jede dieser Zellen hat eine genau definierte Funktion innerhalb des Organismus. Trotz ihrer Vielfältigkeit haben Fettzellen, Nervenzellen, Muskelzellen und andere eines gemeinsam: In ihrem Zellkern befindet sich ein Chromosomensatz, der dem jeder anderen Zelle im Körper gleicht. Eine Katze besitzt 38 Chromosomen, die Träger des so genannten Erbgutes sind. Dieses Erbgut, im Fachjargon „Genotyp“ genannt, entscheidet über die äußere Erscheinungsform des Tieres, den „Phänotyp“. Die Chromosomen enthalten wie auf einem Bindfaden aufgereiht sämtliche Gene der Katze. Nur während der Zellteilung verdichten sie sich zu der bekannten X-Form. In sämtlichen anderen Phasen des Zellzyklus liegen Sie in Form eines Bindfadens, in sogenannten Chromatinfäden, vor.
Doch welche Gene befinden sich genau auf diesen Chromatinfäden, wo liegen die Anlagen für langes Fell, Augenfarbe oder Lernvermögen unserer Stubentiger? Um das herauszufinden und eine Waffe gegen die etwa 250 Erbkrankheiten der Hauskatze zu finden, startete das „Cat Genome Sequencing Project“, auf Deutsch „Katzengenom Entschlüsselung Projekt“, 2004 mit der Sequenzierung des Genoms der Abessinerktze „Cinnamon“, deren gut dokumentierter Stammbaum etliche Generationen zurückreicht. Gesponsert wurde die Forschung vom Labor für Genetische Diversität in Frederick, Maryland, USA. In drei Jahren intensiver Arbeit entschlüsselten die Forscher über 20.000 Gene der Hauskatze, verteilt auf 38 Chromosomen. Mittlerweile ist bekannt, dass die Untersuchung des Katzengenoms auch grundlegende Mechanismen von menschlichen Krankheiten wie zum Beispiel dem HIV-Virus klären kann.
Doch auch nach der Entschlüsselung des Hauskatzengenoms hält dieses noch zahlreiche Überraschungen bereit. Forscher der Washington University in St. Louis beispielsweise entdeckten Ende 2014 beim Vergleich des Genoms von Wildkatzen mit dem ihren domestizierten Verwandten Erstaunliches: Sie stellten Veränderungen bestimmter Genbereiche seit dem Zusammenleben von Katze und Mensch fest. Interessanterweise zeigten sich diese Veränderungen primär an Genen, die sich in anderen Studien als ausschlaggebend für Verhalten wie Lernen durch Angst, Gedächtnisbildung und Belohnungsverhalten gezeigt hatten – wichtigen Verhaltensweisen im Domestikationsprozess. Legt man grundlegende Evolutionsmechanismen zugrunde, ist dies nicht verwunderlich. Das Zusammenleben mit dem Menschen selber ändert das Genom nicht aktiv. Dennoch wird der Mensch primär Katzen domestiziert und später gezüchtet haben, deren Erbanlagen sie besonders sozial gegenüber dem Menschen machten.
Diese Entdeckung ändert nichts daran, dass unsere Hauskatzen im Innersten noch Wildtiere sind, deren gemeinsame Geschichte mit dem Menschen im Vergleich zu anderen domestizierten Tierarten relativ kurz ist. Aber sie gibt uns ein besseres Verständnis darüber, dass das Zusammenleben mit dem Menschen ein ausschlaggebender Bestandteil des Evolutionsprozesses ist.
Zum Weiterlesen:
Artikel auf FOKUS Online
Cat Genome Sequencing Project University Missouri
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