Von Augentropfen über Nahrungszusätze bis hin zu rezeptpflichtigen Präparaten aus dem Internet – die Auswahl an Mittelchen zur Unterstützung der Gesundheit unserer Vierbeiner ist riesig. Die Hersteller locken mit vielversprechenden Beschreibungen, um ihr Produkt für Tierhalter attraktiv zu machen. Vor allem, wenn der tierische Gefährte krank ist, scheuen viele Besitzer weder Kosten noch Mühen – und manche gehen dabei falschen Ratschlägen oder Werbeversprechen auf den Leim. Einige werden auch selbst kreativ und wenden bekannte Hausmittelchen aus dem Humanbereich an, um sich den vermeintlich kostspieligeren Gang zum Tierarzt ersparen zu können. Hier sei gleich gesagt: Der Stoffwechsel von Tieren ist – von den Größendimensionen mal ganz abgesehen – nicht eins zu eins mit dem eines Menschen vergleichbar. An Schokolade lässt sich dies deutlich machen: Je nach Kakaoanteil können schon 10 bis 30 Gramm der Leckerei bei wortwörtlichen Naschkatzen schwere Vergiftungserscheinungen bis hin zum Tod auslösen. Denn die Samtpfoten können das enthaltene Theobromin nicht wie der menschliche Organismus abbauen. Pfotenhieb informiert, welche Risiken und Nebenwirkungen auch vermeintlich harmlose Helferlein mit sich bringen und was Ihrem Liebling bei Bedarf helfen kann.
Rund 100 Pflegekatzen hat Ulrike Lilienbecker schon ein Zuhause auf Zeit gegeben, bevor sie in gute Hände weitervermittelt wurden. Viele der heimatlosen Vierbeiner waren bei ihrer Ankunft krank. Ob Triefnasen, Tränaugen oder Hungerhaken – die Tierfreundin hat sie erst aufpäppeln müssen und schon unzählige Besuche beim Tierarzt hinter sich. Dadurch und durch die Lektüre von Fachbüchern für Laien hat sie jede Menge Erfahrung gewonnen, mit der sie den Zustand ihrer Schützlinge besser einschätzen kann. „Klar fahre ich in Notsituationen sofort zu meiner Tierärztin. Aber wir Menschen gehen ja auch nicht bei jedem Husten zum Arzt. Mittlerweile habe ich gelernt, wann ich abwarten kann und welche Mittel sinnvoll sind, ohne dass ich jedes Mal in die Praxis fahren muss.“ Ihre Katzen-Hausapotheke ist mittlerweile größer als die für Menschen. Im Ernstfall und bei Zweifeln geht’s aber für ihre Schützlinge zum Berufs-Profi, der natürlich auch mehr Möglichkeiten hat. Den „Luxus“ eines solchen Erfahrungsschatzes haben nur wenige Katzenhalter. Manch Unerfahrene warten zu lange, bevor sie handeln – und würden am liebsten auf eigene Faust therapieren, um Zeit und Geld zu sparen. In der virtuellen Welt der Foren sind dann Hilferufe wie „Hilfe, meine Katze steht seit zwei Tagen nicht mehr auf – was kann ich tun?“ zu lesen. Dies ist natürlich kein Fall für Selbstmedikation: Wenn ein Tier teilnahmslos ist, länger als 24 Stunden die Nahrung verweigert oder starken Durchfall hat, kurz, bei allen Zuständen, die lebensbedrohlich sind, ist der Fachmann gefragt. Vermeintliches Sparen von Kosten und Mühen hat unter Umständen einen hohen Preis: das Leben des Stubentigers.
Medizin per Mausklick
Seit Mai 2011 ist es aufgrund einer Änderung im Arzneimittelgesetz möglich, Medikamente für Tiere über das Internet zu bestellen, bei einigen ausländischen Händlern auch Verschreibungspflichtiges wie Wurmmittel. Die vermeintliche Gesundheit per Klick kann aber schnell gefährlich werden. Die Kontrolle in der virtuellen Welt ist schwierig und die Gefahr, ein gefälschtes oder nicht zugelassenes Produkt im Warenkorb zu haben, ist weitaus größer, als wenn die Käufer die Medikamente über den Tierarzt oder mit dessen Rezept in der Apotheke erwerben. Viele Veterinäre sehen die Änderung mit Besorgnis, weil die fachkundige Beratung im Netz nicht gewährleistet ist – mit gefährlichen Folgen: „Mehrfach habe ich schon erlebt, dass Katzen ein für Hunde zugelassenes Floh-Präparat mit dem Wirkstoff Permethrin verabreicht wurde. Katzen fehlt das Enzym, um den Stoff abzubauen, er ist für sie hochgiftig und es sind schon einige daran gestorben“, so Tierärztin Julia Lehmann aus München. Wer also via Internet Medikamente kauft, sollte besonders genau den Beipackzettel studieren. Aber auch in anderer Hinsicht birgt das Internet Gefahren: Vorsicht ist beim Googeln nach Symptomen oder bei Ratschlägen von Fachfremden geboten, egal, wie überzeugend diese auch sein mögen. Foren können helfen, wenn es um den Erfahrungsaustausch von diagnostizierten Krankheiten geht, jedoch niemals eine Diagnose ersetzen.
Ätherisch, natürlich – unbedenklich?
Während viele Tierhalter den „Chemiekeulen“ der Pharmaindustrie kritisch gegenüberstehen, liegen Mittel aus der Naturheilkunde im Trend. Ätherische Öle, homöopathische Mittel oder Helferlein wie Teufelskralle oder Johanniskraut – da kann doch eigentlich nichts schief gehen? Dass aber vermeintlich Harmloses für Tiere gefährlich werden kann, haben wir schon am Beispiel der Schokolade gesehen. So enthalten einige ätherische Öle für Samtpfoten giftige Terpene und Phenole. Hierzu zählen Nelken-, Zimt-, Eukalyptus- und das beliebte Teebaumöl. Wenn eine Aromatherapie in Erwägung gezogen wird, sollten auch als ungefährlich geltende Öle nicht auf den Körper der Katze aufgetragen, sondern nur über eine Duftlampe angewendet werden. Homöopathische Mittel – am besten vom Heilpraktiker zusammengestellt – beinhalten keine Gefahren, jedoch können sich die Symptome zu Anfang verstärken. „Man muss aber wohl daran glauben“, so Ulrike Lilienbecker, die selbst schon häufiger gute Erfahrung damit machen konnte. Anders sieht es bei „natürlicher“ Medizin, wie beispielsweise Johanniskraut, aus. Gerade dies kann viele Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten haben und die Leberfunktion beeinflussen. Im Handel gibt es unzählige Nahrungsergänzungsmittel oder Pulversorten, die versprechen, gestörte Körperfunktionen zu „unterstützen“. Wer solche Zusätze regelmäßig bei chronischen Erkrankungen verabreichen möchte, bespricht dies besser mit dem Tierarzt, denn sie könnten Laborwerte verfälschen oder Wechselwirkungen auslösen. „Manches macht ergänzend Sinn“, so Julia Lehmann, „so können Grünlippmuschel-Zusätze bei Arthrose helfen.“ Ist die Katze gesund und bekommt hochwertiges Futter, sind Zusätze übrigens nicht nur überflüssig, sondern teils auch riskant. Zum Beispiel können einige Vitamine überdosiert werden.
Hau(p)tsache gesund
Parasitenbefall, Hautausschläge oder eine Verletzung durch die Rauferei mit der Kratzbürste von nebenan – unter dem dichten Katzenpelz kann sich manch kleines Übel verstecken. Wer unsicher ist, ob seine Samtpfote Flöhen als flauschige Wohnstätte dient, kann sich mit einem einfachen Test Klarheit verschaffen: Die Katze auf ein Stück angefeuchtete Küchenrolle stellen, mit einem feinzinkigen Kamm durchs Fell gehen und auf der Unterlage landende, schwarze Pünktchen zerquetschen – wer jetzt rot sieht, hat Flohkot gefunden. Dann heißt es, Gegenmaßnahmen ansteuern, um den Lebenszyklus der springfidelen Insekten zu zerstören. Auch die Umgebung ist zu behandeln. Solche Maßnahmen können Tierhalter nach Studium der Packungsbeilage – unter anderem ist auf das Alter der Tiere zu achten – problemlos selbst vornehmen. Teebaumöl ist zur Vorbeugung übrigens nicht geeignet, sondern Gift für den Katzenkörper. Bei Flohbefall sollten Sie sich jedoch zusätzlich ein für Ihre Katze geeignetes Entwurmungsmittel besorgen, da Flöhe Bandwürmern als Wirt dienen können. Erfahrene Katzenhalter, die Milben im Ohr der Katze erkennen, können versuchen, den Befall mit im Fachhandel erhältlichen Ohrreinigern in den Griff zu bekommen. Halten die Beschwerden jedoch an, sollte ein Tierarzt zu Rate gezogen werden. Er ist auch Ansprechpartner für Pilzverdacht, der zum Beispiel bei kahlen Stellen im Fell aufkommt, und kann mit UV-Licht und Hautprobe auf Sporensuche am Katzenkörper gehen. Von Selbstmedikation auf Verdacht ist dringend abzuraten, vor allem, da Pilzsporen auch auf Menschen übertragbar sind.
Verletzt, verstaucht, vergiftet?
Auch kleinere Verletzungen durch andere Katzen sollten Sie im Auge behalten, denn die spitzen Zähne können tief ins Gewebe eindringen und dort Krankheitserreger zurücklassen. Entzündungen oder Abszesse können die Folge sein. Vorbeugen kann ein einfaches Desinfektionsspray ohne Alkohol sowie eine Wundsalbe. Jod ist zwar giftig für Katzen, doch die Menge zur Versorgung einer kleinen Wunde ist unbedenklich. Bei Insektenstichen wirken antiallergische Gelees oder Cremes abschwellend und sind eine sinnvolle Ergänzung der tierischen Hausapotheke. Wenn die Katze einmal humpelnd von einem Ausflug zurückkommt, können Sie, wenn das betroffene Bein nicht heiß und keine Verletzung zu sehen ist, ruhig einen Tag beobachten. Sofortiges Handeln ist allerdings bei Vergiftungserscheinungen, die sich in Form von Durchfall, Erbrechen, Schleim- oder Schaumauswürfen, Atemproblemen, Schwellungen oder einem torkelnden Gang äußern, angebracht. Wenn Vergiftungsverdacht besteht, erfordert dies den sofortigen Gang zum Tierarzt oder in eine Tierklinik und keinerlei Experimente mit Kohletabletten oder Paraffinölen!
Durchgehend gefährlich
Durchfall oder Erbrechen – Haarballen-Auswürgen lassen wir an dieser Stelle einmal außen vor – können bei Vierbeinern viele Ursachen haben, zum Beispiel die Reaktion auf ein der Katze unbekanntes Futter oder zu hastiges Fressen. Sie können aber auch auf ernste Erkrankungen hinweisen. Darum ist es wichtig, die Katze bei Durchfall oder Erbrechen besonders gut zu beobachten und bei weiteren Symptomen wie Apathie, andauernder Appetitlosigkeit, Blut in den Ausscheidungen oder Fieber einen Tierarzt aufzusuchen. Ist die Katze aber ansonsten munter, hilft eine eintägige Nulldiät zur Entlastung des Magens und anschließend leicht verdauliche Kost wie Huhn mit Reis in kleinen Portionen meist besser als jedes Mittelchen. Verdünnter Kamillentee kann zusätzlich gereicht werden – ohnehin ist wichtig, dass die Katze genug Flüssigkeit zu sich nimmt. Rezeptfreie Antidiarrhoeika, die Mineralien und Elektrolyte enthalten, sind bei ansonsten gesunden Katzen überflüssig, und können den Magen zusätzlich irritieren. Bei über zwei Tage andauerndem wässrigem Durchfall ist in jedem Fall der Gang zum Profi notwendig, weil die Katze sonst Gefahr läuft, zu dehydrieren.
Stress lass nach!
Ein Umzug oder eine längere Autofahrt steht an, tierische Raufbolde machen sich im Revier breit oder die Katze verliert ihre Bezugsperson: Viele Samtpfoten reagieren gestresst auf Veränderungen. Hier können homöopathische Mittel oder heilkundliche Verfahren wie Bach-Blüten – zum Beispiel die sogenannten Notfall-Tropfen ohne Alkohol – zum Zuge kommen. Bach-Blüten wirken im schlimmsten Fall nicht, es gibt aber viele positive Erfahrungsberichte. Ähnliches gilt für Nahrungszusätze mit dem natürlichen Wirkstoff Alpha-Casozepin, der eine beruhigende Wirkung hat. Auch Pheromonstecker, die es in Apotheken und mittlerweile auch im Fachhandel gibt, können die Katze entspannen. Der auf Menschen beruhigende Baldrian wirkt auf Katzen meist aufputschend, auf die Gefahren von Johanniskraut wurde bereits hingewiesen. Stimmungspillen für die Katz sind nicht umsonst verschreibungspflichtig und gehören in die Hände von Fachleuten.
Dicker Hals und Schnauze voll
Halsweh, Triefnase und tränende Augen – auch Katzen können sich eine Erkältung einfangen. Es soll schon Halter gegeben haben, die der tierischen Erkältung mit Hustensaft für Menschen zu Leibe rücken wollten. Das kann schlimme Folgen haben, zumal Husten auch ein Zeichen für Allergien oder felines Asthma sein könnte und – wenn er gehäuft vorkommt – tierärztlich abgeklärt werden muss. Auch an dieser Stelle sei wieder auf die Gefahr von ätherischen Ölen hingewiesen, die Katzen nicht verstoffwechseln können. Möglich wäre als Unterstützung bei einer leichten Erkältung und nur, wenn die Samtpfote es akzeptabel findet, das Inhalieren von Salzwasser oder eine Rotlicht-Lampe. Bei eitrigen Ausflüssen und langandauernden Beschwerden bleibt – Sie ahnen es – der Gang zum Tierarzt unabdingbar. In diesem Zusammenhang sei auch ein Blick auf die Augen erlaubt: Tränende, gerötete oder verklebte Augen sind häufig Symptom einer Bindehautentzündung. Ist sie einseitig, ist meist eine äußere Ursache wie ein Fremdkörper im Auge oder ein Luftzug die Ursache. Sind beide Augen betroffen, könnte es sich um die Folge einer Infektion handeln. Wenn das Auge nur einmal leicht und klar tränt, können Sie ruhig abwarten, wird es jedoch schlimmer oder der Ausfluss gelblich, heißt es möglichst bald: ab zum Tierarzt, um Hornhautschäden zu vermeiden!
Und die Moral von der Geschicht?
Bei jeder Veränderung des Gesundheitszustands obliegt es dem Halter, verantwortungsbewusst zu handeln. Selbstmedikation sollte hierbei weder über- noch unterschätzt werden. Bei kleineren Übeln kann eine gut sortierte Katzenapotheke dem Vierbeiner durchaus Erleichterung bringen und die Genesung beschleunigen. „Wenn der Halter sich vernünftig informiert, kann Selbstmedikation hilfreich sein“, so Tierärztin Julia Lehmann, „vor allem homöopathische Mittel können bei Katzen gut anschlagen, wenn die Zusammenstellung korrekt ist.“ Wer etwas Erfahrung und gesunden Sachverstand mitbringt, der kann auch verantwortungsvoll mit Nahrungszusätzen, Ohrenreinigern und Augentropfen umgehen und weiß, wann es Zeit ist, den Profi aufzusuchen. Alle anderen düsen dort lieber einmal zu oft als zu wenig hin. Aus Kostengründen mit der Hausapotheke zu experimentieren, sollte tabu sein. Schalten Sie immer, auch bei allen „natürlichen Mitteln“, den Kopf ein – und ziehen Sie, wenn es ernst wird, den Tierarzt hinzu.
Zur Autorin:
Nach ihrem Studium der Germanistik und Wirtschaftsgeschichte in Düsseldorf arbeitete Kerstin Orth einige Jahre im Bereich Unternehmenskommunikation in der Heimtierbranche. Seit 2010 ist sie als freiberufliche Redakteurin tätig und lebt mit ihren beiden Maine Coon-Katern in Trier.
Dieser Artikel erschien im Pfotenhieb Bookazin 5, September 2012
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