Kratzer im Lack des teuren Neuwagens, ein toter Koi auf der Veranda und Katzenkot im Gemüsebeet – es gibt einige Situationen, in denen Freigängerhalter nicht nur mit wütenden Nachbarn, sondern auch mit rechtlichen Themen rund um die Katzenhaltung konfrontiert werden. Im Vorteil ist dabei, wer neben einem gewissen Maß an Einfühlungsvermögen und Kompromissbereitschaft auch über das Wissen um sein Recht als Katzenbesitzer oder Nachbar eines solchen verfügt. Doch oft ist das nicht so einfach, schließlich sind sowohl die Möglichkeiten, sich über Freigängerkatzen zu streiten vielfältig, als auch die Auslegung der jeweiligen Rechtslage.
Viele Katzenliebhaber schätzen an ihren vierbeinigen Begleitern vor allem ihre Eigenständigkeit. Während eine Wohnungskatze diese nur eingeschränkt ausleben kann, genießen Freigänger sie in vollen Zügen. Nicht nur der hauseigene Garten gehört zu ihrem Revier, auch die Grünflächen der umliegenden Nachbarn werden rege genutzt, was nicht immer auf Verständnis stößt. Während Besitzer von Freigängern selbige nicht ohne weiteres innerhalb der Grenzen des eigenen Grundstücks halten können, sieht so mancher Gartenbesitzer es nicht ein, das geliebte Grün mit den Haustieren seines Nachbarn zu teilen. Doch müssen fremde Katzen im Garten geduldet werden? Und wenn ja, wie viele?
Unterschiedliche Urteile
Diese Fragen lassen sich nicht allgemein beantworten und wurden von Gerichten in der Vergangenheit auch immer wieder recht verschieden ausgelegt. So vertritt das Amtsgericht Mannheim beispielsweise die Auffassung, die Katze gehöre zur natürlichen Umwelt des Menschen und ihr Eindringen in fremde Grundstücke sowie das Hinterlassen von Kot stelle keine Beeinträchtigung dar. Im „Praxishandbuch Katzenrecht“ der Rechtsanwältin Ute Winderlich lässt sich dies nachlesen: „Dieses natürliche Verhalten des Tieres stelle folglich keine unzulässige Störung durch den Katzenhalter dar, sondern sei lediglich eine vom Eigentümer hinzunehmende Grundstücksbeeinträchtigung, die auf Naturvorgänge zurückzuführen und somit hinzunehmen sei.“ Hierzu sind weitere Gerichtsurteile zu finden, die Ähnliches, aber auch Gegensätzliches besagen. So beurteilt das Amtsgericht Passau bereits das Betreten des Grundstücks durch fremde Katzen als Eingriff in das Eigentum, das Amtsgericht Diez wiederum schränkt die Duldungspflicht des Gestörten auf ein bis zwei Tiere ein und das Oberlandesgericht Köln ist der Ansicht, dass gelegentliche Besuche der Nachbarskatze inklusive ihrer Hinterlassenschaften in Vororten zu dulden ist, im Zentrum der Großstadt hingegen nicht.
Die Wohnlage entscheidet
Eine generelle Aussage, ob und in welchem Umfang Katzen im Garten geduldet werden müssen, lässt sich also nicht treffen. Ute Winderlich fasst in ihrem Buch die Gesetzeslage wie folgt zusammen: „In einem reinen Wohngebiet mit freistehenden Häusern und Gärten und in ländlicher Lage ist der Freilauf von Katzen ortsüblich und daher grundsätzlich von den Nachbarn zu dulden. Nimmt die Zahl der Katzen jedoch überhand, kann der Nachbar verlangen, dass jeweils nur ein oder zwei Katzen zugleich Freigang erhalten.“
Aber auch wenn freilaufende Katzen im Garten des Nachbarn geduldet werden müssen, haben die Samtpfoten noch lange keine Narrenfreiheit. Zwar wird von vielen Gerichten anerkannt, dass Freilauf zur artgerechten Katzenhaltung gehört und die Katze als solche nur schwer während ihrer Ausflüge kontrolliert werden kann. Allerdings hört die Freiheit der Katze oft auf, sobald die Katze beispielsweise regelmäßig auf fremden Autos schläft oder in fremde Wohnungen und Häuser eindringt. Wer dem als Katzenhalter nicht rechtzeitig entgegenwirkt und sich mit dem Nachbarn um eine außergerichtliche Lösung bemüht, hat bald ein großes Problem. Denn wie soll man seiner Katze auch auf die Schnelle klarmachen, dass sie zwar durch Nachbars Garten, aber nicht in dessen Haus spazieren darf?
Wenn die Katze nicht nur durch alleinige Anwesenheit stört, sondern bei ihren Ausflügen auch Schäden verursacht, die über das gelegentliche Buddeln und Koten in Beeten hinausgeht, muss dieser Schaden durch den Halter behoben werden. Außer bei Nutztieren gilt auch hier die Tierhalterhaftung nach §833 des Bürgerlichen Gesetzbuches: „Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“
So muss der Katzenhalter in der Regel sowohl für zerstörte Gegenstände und den toten Fisch aus dem Gartenteich des Nachbarn aufkommen, als auch die Konsequenzen von Bissverletzungen und ähnlichem tragen. Hier lohnt ein Blick in die Vereinbarungen der eigenen Haftpflichtversicherung, denn meist werden durch Katzen verursachte Schäden durch diese abgedeckt. Vor hohen Kosten oder anderen rechtlichen Konsequenzen muss sich daher kein Katzenhalter fürchten, solange er gut versichert ist.
Ohne Beweis kein Schadensersatz
Schwieriger könnte es allerdings für den durch eine Katze Geschädigten sein, sein Recht durchzusetzen. Ist der Fisch nach Katzenmanier still und heimlich aus dem Teich geangelt worden, ist die verdächtige Katze zwar oft schnell gefunden. Ohne einen Beweis, dass genau diese Katze der Täter gewesen ist, lassen sich Schadensersatzansprüche aber nur schwer bis gar nicht durchsetzen. Als Katzenbesitzer sollte man hier besondere Rücksicht auf sein Gegenüber nehmen. Besonders, wenn andere Lebewesen durch die eigene Katze zu Schaden gekommen sind, ist die Situation tragisch. Schließlich hängt der Nachbar oft mindestens genauso am eigenen Tier, wie man selber an seiner Katze.
Auch bei Katzenkratzern auf dem Auto ist es für den Geschädigten schwierig nachzuweisen, ob und welche Katze den Schaden verursacht hat. Winderlich schreibt dazu unter anderem: „Sachverständige haben festgestellt, dass Katzen Auto- und Motorradlack gar nicht zerkratzen können.“ Feine Kratzer, die von Sandkörnern an den Pfoten der Katze stammen, sind jedoch möglich und müssen vom Katzenhalter beseitigt werden, wenn nachgewiesenermaßen dessen Katze die Katzer verursacht hat.
Ein Mitverschulden des Geschädigten ist auch nicht ausgeschlossen und kann den Schadensersatzanspruch beeinflussen, befand das Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Geschädigte sich zuvor freiwillig in die Nähe eines fremden Tieres begeben und dieses gestreichelt hat.
Die Katze im Straßenverkehr
Das Horrorszenario eines jeden Katzenhalters ist, wenn die eigene Samtpfote in einen Verkehrsunfall verwickelt ist oder man selber eine Katze mit dem Auto erfasst. Selbst der beste Autofahrer kann bei langsamer und vorausschauender Fahrweise nicht ausschließen, eine Katze zu überfahren. So tragisch die Sache auch ist, für viele Autofahrer stellt sich nach solch einem Unfall unter anderem auch die Frage, wer für den am Fahrzeug entstandenen Schaden aufkommt. Kann der Halter der Katze ausfindig gemacht werden – und das sollte jeder nach solch einem Unfall auch dem Katzenbesitzer zuliebe zumindest versuchen – muss dieser normalerweise für den durch sein Tier entstandenen Schaden aufkommen. Der Verlust der Katze lässt sich leider durch nichts ersetzen.
Bremsen oder nicht?
Aber auch schon bevor es überhaupt zu einem Unfall kommt, muss man sich als Autofahrer Gedanken über sein mögliches Verhalten machen. „Ich bremse auch für Tiere“ lautet die beliebte Aufschrift auf den Fahrzeugen so manches Tierliebhabers. Doch darf man das im Falle eines Kleintieres wie der Katze überhaupt? Entscheidend ist hier, wie so oft, der Einzelfall. Generell gilt, dass zwischen dem Leben des Tieres und einem eventuellen Unfallrisiko bei Ausweichen und Bremsen abgewogen und danach gehandelt werden muss. Würde man zum Beispiel durch ein Ausweichmanöver in den Gegenverkehr geraten und damit Menschenleben gefährden, muss gegen das Ausweichen entschieden werden. Ein Motorradfahrer, dessen Leben mitunter vom Ausweichen abhängt, darf dies wiederum eher riskieren als ein Autofahrer. Andererseits muss aber auch niemand eine Katze in einer geschlossenen Ortschaft überfahren, nur weil der Hintermann beim Bremsen auffahren könnte. Auch reflexartiges Bremsen und Ausweichen wird in diesem Fall anders bewertet.
Vorsicht ist besser als Nachsicht
Die Katze genießt in Deutschland einige Freiheiten, die andere Tiere nicht haben. Jeder Halter einer Freigängerkatze sollte sich darüber glücklich schätzen und sich bewusst machen, dass sich diese Situation auch schnell ändern kann. Statt sich auf entsprechende Gerichtsurteile zu verlassen, hilft oft zuerst das Erinnern an die eigene Verantwortung als Tierhalter. Diese beinhaltet nicht nur, das eigene Tier artgerecht zu pflegen, sondern auch Störungen anderer durch die eigene Tierhaltung möglichst zu minimieren. Dass sich nicht jede Wohngegend für Freigang eignet, sollte nicht extra erwähnt werden müssen. Aber beispielsweise auch die rechtzeitige Kastration des eigenen Kater, um Harnmarkieren bei den Nachbarn zu vermeiden, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Ebenso kann eine ansprechende Gestaltung des eigenen Gartens, eine einfache Katzenklappe zum ungehinderten Ein- und Ausgehen oder eine ausgiebige Beschäftigung der Katzen auf dem eigenen Grundstück schon helfen, einige Probleme zu vermeiden. Denn wie sicherlich jeder Katzenhalter aus eigener Erfahrung weiß, stellen die Samtpfoten besonders viel Blödsinn an, wenn sie sich langweilen. Sogar Verkehrserziehung soll bei manchen Katzen Wunder gewirkt haben, auch wenn so mancher Katzenhalter sich dabei gerne mal zum Gespött der Nachbarn machen musste.
Natürlich kann mit dieser Vorgehensweise längst nicht allen Konflikten aus dem Weg gegangen werden. Wenn solche nicht im Guten geklärt werden können, hilft oft der Gang zu einem auf Tierrecht spezialisierten Anwalt. Und wenn das immer noch nicht hilft, kann man sich zumindest noch mit den Worten Friedrich Schillers trösten: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“
Zum Weiterlesen:
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