Zugegeben: Das Thema ist nicht neu. Die Europäische Kommission hatte schon im September 2014 einen 119 Seiten starken Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Tierarzneimittel mit der Bezeichnung COM (2014) 558 eingereicht. Das Ziel: Den Antibiotika-Einsatz bei Nutztieren eindämmen, die Verfügbarkeit von Arzneimitteln für Tiere zu erhöhen und einen Beitrag zur Lebensmittelsicherheit zu leisten. Beispielsweise gab es bisher kein getrenntes Zulassungsverfahren für Human- und Tierarzneimittel.
Eine gute Sache, die die Arzneimittelsicherheit für Tierhalte rund Verbraucher verbessern soll. Die Europäische Kommission plant eine umfassende Registrierung und Herstellungskontrolle aller Tierarzneimittel, unter ihnen auch alternativmedizinische Medikamente. Bisher wurden für eine alternativmedizinische Behandlung von Tieren vorwiegend Medikamente aus dem Humanbereich eingesetzt. Allerdings: „Insbesondere letztere Änderung würde den Einsatz von komplementär-alternativmedizinischen Arzneimitteln (Homöopathika, Pflanzenpräparate, u. a.) faktisch unmöglich machen“, fürchtet die Kooperation deutscher Tierheilpraktiker Verbände e.V. in einer Stellungnahme, die der Verband zusammen mit dem Fachverband niedergelassener Tierheilpraktiker e. V. und dem Ältesten Verband der Tierheilpraktiker Deutschlands e. V. ausarbeitete. „Bei detaillierter Betrachtung des vorliegenden Entwurfes ist festzustellen, dass einige Teile der Verordnungsvorlage nicht mit den genannten Zielen konform sind. Bei einer strengen Auslegung wesentlicher Passagen stehen die Formulierungen sogar im völligen Widerspruch zu diesen Zielen.“
Eine Eindämmung des Antibiotikaeinsatzes, eine bessere Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln, Verringerung der Regulierungsbelastung und die Einführung einer Pharmakovigilanz für die Anwendung von Arzneimitteln bei Tieren seien zu begrüßen. Allerdings würde der Gesetzesentwurf die Verfügbarkeit von komplementär- und alternativmedizinischen Arzneimitteln für Tiere unverhältnismäßig einschränken. In Hinblick auf Homöopathika sei das generelle Verbot der Anwendung von Humanarzneimitteln bei Tieren unverhältnismäßig. Es sei keine großflächige Zulassung von komplementär- und alternativmedizinischen Arzneimitteln für Tiere zu erwarten, „sofern sie bereits als (Human-)arzneimittel zugelassen sind.“ Außerdem: Es stehe in einem Widerspruch zu dem Ziel der Erhöhung der Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln, dass homöopathische Arzneimittel, die für Menschen zugelassen sind, für das Tier ein besonderes Zulassungsverfahren benötigen. Der Einsatz von naturheilkundlichen Arzneimitteln und Mitteln zur Prophylaxe solle nicht durch zusätzliche, aufwändige Zulassungsverfahren erschwert werden.
Der Verband sieht zudem die Berufsausübung von Tierheilpraktikern gefährdet. Bisher gab es kein deutschlandweites Zulassungsverfahren für Heilpraktiker: „Einschneidende Änderungen sind bei der Verschreibungspflicht vorgesehen: nach dem Entwurf kann ein Mitgliedstaat künftig alle Medikamente, die zur Anwendung bei lebensmittelliefernden Tieren eingesetzt werden können, für verschreibungspflichtig erklären. Dies würde eine Existenzvernichtung für Tierheilpraktiker bedeuten, die überwiegend Nutztiere behandeln.“
Allerdings: Ein Blick in den Gesetzesvorschlag COM(2014) 558 verrät, dass ein Tierarzneimittel nicht als verschreibungspflichtig eingestuft werden kann, „wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:
(a) Die Verabreichung des Tierarzneimittels ist beschränkt auf
Darreichungsformen, für deren Anwendung keine besonderen Kenntnisse oder
Fertigkeiten erforderlich sind.
(b) Das Tierarzneimittel stellt auch bei unsachgemäßer Verabreichung kein
mittelbares oder unmittelbares Risiko für das behandelte Tier/die behandelten
Tiere, für die das Mittel verabreichende Person oder für die Umwelt dar.
(c) Die Fachinformation des Tierarzneimittels enthält keine Warnhinweise in
Bezug auf potenzielle schwerwiegende Nebenwirkungen, die sich aus einer
sachgemäßen Verwendung ergeben können.
(d) In der Vergangenheit wurden weder über das Tierarzneimittel selbst noch über
ein anderes Mittel mit demselben Wirkstoff häufig unerwünschte Ereignisse
gemeldet.
(e) Die Fachinformation verweist nicht auf Kontraindikationen in Bezug auf
andere Tierarzneimittel, die üblicherweise verschreibungsfrei sind.
(f) Das Tierarzneimittel bedarf keiner besonderen Aufbewahrungsbedingungen.
(g) Für die menschliche Gesundheit besteht auch bei unsachgemäßer Verwendung
der Tierarzneimittel kein Risiko durch Rückstände in Lebensmitteln, die von
behandelten Tieren stammen.
(h) Es besteht kein Risiko für die Gesundheit von Mensch oder Tier durch die
Entwicklung einer Resistenz gegenüber Anthelminthika, auch wenn die
Tierarzneimittel, die diese Stoffe enthalten, unsachgemäß verwendet werden.“
Die Mitgliedstaaten können in ihrem Hoheitsgebiet für Tierarzneimittel, die nur für ausschließlich als Heimtiere gehaltene Wassertiere, Ziervögel, Brieftauben, Terrariumtiere, Kleinnager, Frettchen und Hauskaninchen bestimmt sind, Ausnahmen von Artikel 5 zulassen, „sofern diese Arzneimittel keine Stoffe enthalten, deren Verwendung eine tierärztliche
Kontrolle erfordert, und alle Vorkehrungen getroffen werden, um eine missbräuchliche Verwendung dieser Arzneimittel für andere Tiere zu verhindern.“ Auch werden nicht alle alternativen Heilmittel oder Nahrungsergänzungen automatisch als Tierarzneimittel eingestuft und nur noch über den Tierarzt erhältlich sein. Seite 22 des Entwurfes verrät: „Um die Rechtssicherheit zu erhöhen und den Entscheidungsprozess der Mitgliedstaaten zu fördern, sollte eine Koordinierungsgruppe der Mitgliedstaaten eingesetzt werden; eine ihrer Aufgaben sollte es sein, von Fall zu Fall eine Empfehlung abzugeben, ob ein Produkt als Tierarzneimittel definiert werden kann. Damit Rechtssicherheit gewährleistet ist, kann die Kommission entscheiden, ob ein bestimmtes Produkt ein Tierarzneimittel ist.“
Fazit der Kooperation deutscher Tierheilpraktiker Verbände e.V.: „Die Ausübung komplementär- und alternativmedizinischer Verfahren darf nicht ausschließlich Ärzten bzw. Tierärzten überlassen bleiben, da dies zu einer Verarmung der Methodenvielfalt führen würde, sowie zu einer beruflichen Einschränkung nichtärztlicher Therapeuten, wie von uns unter Punkt II.4 angeführt.“ Viele Freunde alternativer Methoden sehen das ganze noch dramatischer: „RIP Alternativmedizin“ und „RIP Tierheilpraktik“ heißt es beispielsweise auf Facebook. Auch wird davon gesprochen, dass die Anwendung von Naturheilmitteln und Kräutern durch den Tierhalter generell kontrolliert werden soll.
Ein schwieriges Thema – schließlich sind viele Tierfreunde von der Wirksamkeit alternativer Heilmethoden überzeugt. Eine wissenschaftliche Basis gibt es aber beispielsweise für die Wirkung homöopathischer Arzneimittel nicht und eine fehlende Zulassung von Heilpraktikerberufen hat schon in der Vergangenheit für Kritik gesorgt. Mit einem Gesetzesvorschlag, der die Anwendung von homöopathischen Arzneimitteln reguliert, kann die Situation also nur verbessert werden. Wie das Ganze dann realisiert wird, bleibt abzuwarten. Eines ist aber sicher: Panikmache mit teilweise falschen Informationen über Soziale Medien bringen niemandem etwas. Weder den Herstellern von alternativen Tierarzneimitteln, noch Tierheilpraktikern, Tierhaltern oder gar Tieren.
Sieht die Kooperation deutscher Tierheilpraktiker Verbände e.V. den Gesetzesvorschlag zu kritisch? Wie ist Ihre Meinung hierzu? Wir freuen uns auf Ihre Einschätzung der Situation!
Quellen:
Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über Tierarzneimittel
Stellungnahme zum Vorschlag zu einer Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates über Tierarzneimittel COM (2014) 588
Kooperation deutscher Tierheilpraktiker Verbände e.V.: EU will Arzneimittelrecht für Tiere novellieren
Petition 61871
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