Beim Gedanken an Zuckerwatte, Schokolade und Gummibärchen schmerzen nicht nur die Zähne vieler Gesundheitsfanatiker. Auch unter Tierfreunden wird der Einsatz von Zucker in Futtermitteln verteufelt. Doch wie schädlich ist Zucker im Katzenfutter überhaupt – oder wird die Kraft der süßen Kristalle überschätzt? Wir haben versucht, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.
Um Zucker in der Katzennahrung ist ein wahrer Glaubenskampf entbrannt. Wer die Stichworte „Zucker“ und „Tiernahrung“ in einer beliebigen Internet-Suchmaschine eingibt, erhält einen kleinen Vorgeschmack auf ein Wirrwarr von Verordnungen, Behauptungen und sich widersprechenden Studien. „Schädlich für die Zähne, sorgt für Übergewicht und Diabetes“, heißt es auf der einen Seite, während auf einer anderen darauf hingewiesen wird, dass Katzen die Geschmacksrichtung süß nicht wahrnehmen können und nur selten von Karies geplagt werden. Und da ist schließlich auch der Milchzucker, ein natürlicher Bestandteil der kätzischen Muttermilch… Gerade Internet-Katzenforen sind eine wahre Fundgrube an Meinungen, Gerüchten und interessanten Quellen. Sich teilweise widersprechende Studien und Veröffentlichungen in Fachmagazinen machen die Recherche nicht unbedingt leichter und die Futtermittelverordnung gibt oft mehr Rätsel auf, als sie zu lösen scheint. Doch was ist denn nun richtig?
Zuckerverwertung im Katzenkörper
Dass übermäßiger Zuckergenuss zu Karies führen kann, wurde uns von Kindesbeinen an eingetrichtert. Saccharose bietet einen idealen Nährboden für Bakterien und führt so zu einer Zerstörung von Zahnschmelz und dem darunterliegenden Dentin. Seltsamerweise beobachtet man bei Katzen relativ selten klassische Karieserkrankungen. Hier führen Parodontitis und Plaque die Statistik der häufigsten Zahnerkrankungen an, nicht „Karius“ und „Baktus“, die Helden des gleichnamigen Aufklärungsbuchs über Zahnhygiene. Grund könnte der hohe pH-Wert in der Maulhöhle der Katze sein. Dieser führt zu einer Neutralisierung von organischen Säuren, die den Zahnschmelz angreifen könnten. Also alles halb so wild? Doch Vorsicht: Auch wenn Zucker im Katzenfutter nicht unbedingt zur Entstehung von Zahnkaries führt, sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass sich Katzen während ihrer Evolution an eine proteinreiche und kohlenhydratarme Ernährung angepasst haben.
Tatsächlich können Kohlenhydrate wie Zucker nur zu geringen Mengen von der Katze umgesetzt werden. Zur Zersetzung von Zucker in verwendbare Bestandteile ist ein hochsensibles und aufeinander abgestimmtes System verschiedener Enzyme notwendig, darunter die Amylasen, Stärke verdauende Enzyme im Speichel und der Bauchspeicheldrüse, sowie Glukokinase zur Zersetzung von Traubenzucker in Leber und Bauchspeicheldrüse. Doch die Glukokinase weist nur eine sehr geringe Aktivität im Katzenorganismus auf. Im Speichel vorhandene Amylasen zur Stärkeverdauung fehlen ganz – in der Bauchspeicheldrüse sind sie hingegen fast inaktiv. Die Fähigkeit, Milchzucker aus der Muttermilch zu verwerten, verlieren Katzen mit der Pubertät. Eine Ausnahme sind wenige Einzeltiere, die ihr ganzes Leben lang in den Genuss von Milch als festen Bestandteil der täglichen Nahrungsmenge kommen.
Über diese biologischen Besonderheiten hinaus scheiden sich aber die Geister darüber, inwieweit zu viel Zucker schädlich für die Katze ist. Auch über die genauen Folgen eines Zuckerüberschusses gibt es mannigfaltige Theorien, Studien und Fachmeinungen. So stellt ein im Jahr 1987 vom Department of Nutritional Sciences der University of Guelph veröffentlichter Artikel heraus, dass sich Katzen bis zu einem gewissen Maße auf eine veränderte Menge an Kohlenhydraten in der Nahrung einstellen können. Laut Autor Hilton liegt die Verdaubarkeit für Stärke, Saccharose, Glukose und Laktose bei 94 bis 99 Prozent – dies allerdings nur, solange die Gesamtmenge bei unter 15 Prozent der Gesamtfuttermenge liegt. Höhere Mengen dieser „leeren Kalorien“ führen zu einer auffallend hohen Menge von Zucker im Urin der Tiere sowie zu Durchfall. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch jüngere Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2002, nach denen kohlenhydratreich gefütterte Katzen einen signifikant höheren Blutzuckerspiegel aufweisen als Katzen, die mit einer artgerecht proteinreichen Diät ernährt werden. Diese Erkenntnisse sind vor allem im Zusammenhang mit dem Auftreten von Diabetes mellitus bei der Katze entscheidend. Nicht vergessen werden sollte dabei natürlich, dass die Ursachen für eine Entgleisung des Blutzuckerspiegels vielfältiger Natur sind. Zusammen mit der genetischen Disposition, Geschlecht und dem Alter spielen aber auch vorliegendes Übergewicht sowie die Ernährung eine große Rolle.
Zucker in der Tiernahrung: Die rechtliche Seite
Doch wie erfährt der Katzenhalter überhaupt, ob und wie viel Zucker im Katzenfutter enthalten ist? Grundsätzlich muss nach der Futtermittelverordnung alles, was bei der Produktion von Tiernahrung verwendet wird, auch angezeigt werden: „Wird Zucker bei der Herstellung eines Mischfuttermittels verwendet, muss Zucker immer, unabhängig von einer Gruppen- oder Einzeldeklaration, auf der Verpackung eines Katzenfutters deklariert werden“, so Mareike Enderle, Pressesprecherin beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Katzenfutter gilt als Mischfuttermittel und darf nur in den Verkehr gebracht werden, wenn die nach dieser Verordnung nötigen Angaben an gut sichtbarer Stelle der äußeren Umhüllung gemacht werden. Inhaltsstoffe müssen nach Gewicht absteigend sortiert werden; die jeweilige Prozentangabe ist freiwillig. Je nachdem, ob der Hersteller die „offene Deklaration“ oder die „geschlossene Deklaration“ wählt, muss jede Zutat, ob Fleisch, Getreide, Nebenerzeugnis oder Zuckerzusatz, einzeln aufgeführt werden oder die Zutaten können nach ihrer Art zusammengefasst werden. Hafer und Weizen sowie Hirse gelten als Getreide, jegliche Fleischerzeugnisse können ebenfalls summiert werden.
Zielgruppe KatzenhalterLaut Futtermittelverordnung dürfen alle Zuckerarten unter der Gruppenbezeichnung „Zucker“ zusammengefasst werden: „Nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 767/2009 kann bei Mischfuttermitteln für nicht der Lebensmittelgewinnung dienenden Tiere mit Ausnahme von Pelztieren die Angabe der spezifischen Bezeichnung des Einzelfuttermittels durch die Bezeichnung der Kategorie ersetzt werden, zu der das Einzelfuttermittel zählt“, erklärt Mareike Enderle. Zucker ist als Einzelfuttermittel einzuordnen: Laut EU-Verordnung Nr. 575/2011 der Kommission vom 16. Juni 2011 und der nationalen Zuckerartenverordnung könnten so karamellisierter Zucker, Traubenzucker, Fruktose und Glukosesirup, Halbweißzucker, raffinierter Zucker, Flüssigzucker, Invertflüssigzucker, Invertzuckersirup, Glukosesirup, getrockneter Glukosesirup, Dextrose und Fruktose zusammengefasst werden. Übrigens: Die in Deutschland gängigen Verordnungen gelten auch für importierte Futtermittel!
In der offenen Deklaration werden alle Stoffe einzeln aufgeführt – je nach Anteil auch ganz am Ende der absteigend geordneten Inhaltsliste. Ein Fehlen des Begriffes „Zucker“ in der Deklaration ist hier noch lange keine Garantie für ein zuckerfreies Futtermittel. Selbst, wenn Zucker nicht in seiner reinsten Form verwendet wird, sind Spuren auch in vielen Farbstoffen wie beispielsweise Karamell versteckt. Karamellfarbe sorgt für eine appetitliche Erscheinung des Tierfutters. Unserer Katze mag das egal sein, doch die Kaufentscheidung trifft immer noch der Halter – und der mag es, wenn ihn die Sauce im Katzenfutter an die leckere Bratensauce erinnert. Das wissen auch die Futtermittelhersteller. Mittlerweile wird Zucker nicht mehr als Geschmacksverstärker eingesetzt – zumindest nicht offiziell. Das hat einen guten Grund: Ob der süße Lockstoff überhaupt einen Effekt auf unsere Katzen hat, ist fraglich.
Nach gängiger Lehrmeinung können Katzen die Geschmacksrichtung „süß“ gar nicht wahrnehmen. Zwar finden sich auf der Zunge der Katze Geschmacksrezeptoren für „sauer“ und „salzig“ sowie „bitter“, ein Rezeptor für „süß“ fehlt aber völlig. Dafür schmecken sie „umami“, eine weitere Geschmacksqualität. Sie wird von speziellen Geschmacksknospen wahrgenommen, die sensibel auf Proteine in der Nahrung reagieren. Eine hochspezialisierte Anpassung für die Kleinjäger, deren Nahrung vor allem aus proteinreichen Beutetieren besteht.
Manchmal enthalten auch neuartige Zusatzstoffe Zucker. So bewirbt ein bekannter Futtermittelhersteller beispielsweise den Einsatz von Zuckerrübentrockenschnitzel im Katzenfutter: „Zuckerrübentrockenschnitzel unterstützen die Verdauung auf zwei Ebenen: Ein Teil ist unverdaulich und regelt die Darmmotorik, der andere ist fermentierbar und fördert die Darmbakterien. Eine ideale Kombination, die hilft, übermäßige Gärprozesse im Darm zu vermeiden“, heißt es auf der Homepage des Unternehmens. Was dabei verschwiegen wird: Zuckerrübenschnitzel, ein Nebenprodukt der Zuckerrübenverarbeitung, weisen einen Zuckeranteil von etwa sieben Prozent (unmelassierte Trockenschnitzel) bis zu etwa 20 Prozent (Press- oder Melasseschnitzel) auf.
Kurz und gut: Zucker in der Heimtiernahrung zu vermeiden, ist kein unmögliches Vorhaben – dennoch ist es sehr viel schwerer als es auf den ersten Blick erscheint. Kommt das Gespräch auf Zucker, mögen wir vielleicht den schönen, weißen Haushaltszucker vor Augen haben, doch Zucker in der Tiernahrung hat viele Gesichter.
Fazit
Was soll der Katzenfreund nun glauben? Soll er Zucker in der Katzennahrung gänzlich meiden oder kann er sich die Suche nach dem optimalen Katzenfutter ein Stück weit einfacher machen? Auf wen soll er hören? Egal, wie umstritten das Thema „Zucker in der Katzennahrung“ bei Fachleuten und Laien scheint: Fakt ist, dass Zucker keinen ernährungsphysiologischen Wert für die Katze hat. Auch, wenn die Katze Kohlenhydrate zu einem geringen Teil verwerten kann, sind diese nicht unbedingt ein gesunder Bestandteil des Katzenfutters! Selbst der Futterhersteller Royal Canin stellt fest: „Zucker hat bei fleischfressenden Haustieren weder präventive noch heilende Wirkung. Bei Überschuss im Futter kann Zucker Durchfall verursachen, langfristig auch Fettsucht oder Diabetes.“
Doch wie so oft steht nicht nur das Wohl des Tieres an erster Stelle, sondern auch der Eindruck des Halters. Und der bevorzugt nun einmal maulgerechte Stückchen in schön anzusehender Fleischsauce gegenüber einer farblosen Fleischmasse. Hier ist nicht nur ein Umdenken von Herstellerseite gefordert, sondern auch eine Änderung unseres Kaufverhaltens. Zuckerzusätze im Katzenfutter haben viele Gesichter. Egal, ob Leckerchen, Farb- oder Füllstoff: Es schadet nicht, auf die Gesundheit Ihrer Katze zu achten und unnötige Nahrungsbestandteile zu meiden. Nur so bleibt Ihre gesunde Katze gesund – und Ihre erkrankte Katze hat eine Chance auf eine gute Besserung.
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