Ein österreichischer Streuner und eine Tierheimkatze aus München werden zu Weltreisenden: Vor Kurzem traten Fleckli und Sakura ihren Umzug nach Amerika an. Das größte Problem: Die lange Flugreise mit Katzen…
Vielleicht hört es sich blöd an – aber meine größten Bedenken beim USA-Umzug galten unseren beiden Sofatigern. Dass Fleckli und Sakura uns begleiten sollten war klar, da gab es keine Alternative. Doch wie würden die beiden die lange Reise überstehen? Ganze Stunden habe ich damit verbracht, im Internet nach Tipps zu suchen, wie wir unseren Katzen den Auslandsumzug und besonders den Flug angenehmer gestalten könnten. Vergeblich – zumindest auf deutschsprachigen Seiten. Dass die Miezen nüchtern auf die Reise gehen sollten, war klar – ebenso, dass wir ihnen Wasser anbieten würden. Dass sie nicht im Transportraum reisen, sondern als „Carry On“ in der Passagierkabine, ebenso. Doch wo waren die Tipps, die Katzenhaltern wirklich helfen, dem Tier eine stressfreie Reise zu ermöglichen? Natürlich, ein Patentrezept gibt es hier nicht. Flugreisen und Umzüge sind eine stressige Angelegenheit für jede Katze, die Reaktionen kaum vorherzusehen. Und unter uns: „Üben“ kann man auf eine derartige Belastung nur schwerlich…
Die Vorbereitung
Nach dem ersten Gespräch mit unserer Tierärztin war klar, dass wir Fleckli und Sakura weder mit Beruhigungsmitteln noch mit Medikamenten zu einem „angenehmen Trip“ verhelfen werden würden. Die Argumente liegen auf der Hand: Medikamente wirken in der Luft mehrfach so stark wie am Boden, die Wirkungen sind kaum vorherzusehen. Zudem gehen immer mehr Fluggesellschaften dazu über, keine sedierten Tiere zu transportieren – weder im Transportbereich noch in der Kabine. Darum sollten Feliway und Bachblüten-Notfalltropfen unseren Katzen zu mehr Gelassenheit verhelfen. In Absprache mit der Tierärztin meines ehemaligen Arbeitgebers wurden die abendlichen Futterrationen zudem mit „Relaxan“, einem Ergänzungsfuttermittel mit Tryptophan, präpariert. Tryptophan fördert die Serotin-Ausschüttung im Gehirn – Schokolade für die Katze!
Ob all diese Mittelchen geholfen haben? Ich habe ehrlich gesagt aufgrund mangelnder Vergleichmöglichkeiten keine Ahnung. Aber immerhin waren wir Menschen gelassener und hatten das Gefühl, nicht völlig hilfslos darzustehen…
Die Reise
Trotz aller Vorbereitung begann der Tag der Abreise mit einer entlaufenen Katze: Sakura befreite sich aufgrund eines nicht hundert Prozent geschlossenen Reißverschlusses aus ihrer Transporttasche. Bei jeder anderen Katze kein Problem, bei unserer wahnsinnig scheuen Dame schon… Das Einfangen sah darum so aus, wie es nie aussehen sollte: Nach mehreren vergeblichen Versuchen, auch nur in die Reichweite der Katze zu kommen, mussten wir sie mit lautem Trampeln und Klatschen ins leere Schlafzimmer treiben und mit Gewalt in die Tasche zwängen. Nicht schön… Ich kann darum jedem nur raten, die Reißverschlüsse der Transporttasche doppelt und dreifach zu prüfen!
Unter lauten Beschwerden ging es Richtung Flughafen. Für 200 Euro pro Katze durften unsere Miezen bei Delta Airlines mit in die Kabine. Eine Extrabehandlung gab es für diesen Preis nicht – mitreisende Tiere müssen unter dem Vordersitz verstaut werden. Als Handgepäck aufgegebene Tiere müssen zudem bei der Sicherheitskontrolle aus der Tasche genommen werden, damit diese auf potentielle Bedrohungen überprüft werden kann. Für alle Besitzer scheuer Katzen ein Albtraum – denn wer will schon wochenlang auf dem Flughafen campen, um seine Mieze wieder einzufangen? Zum Glück zeigten sich die Sicherheitsbeamten am Flughafen München mehr als verständnisvoll. Wir wurden sogar ohne Nachfragen in einen abgetrennten Raum gelotst, in dem wir beide Katzen samt Geschirr aus dem Korb entnehmen konnten. Danach musste aber erst einmal die Putzkolonne anrücken – Katzen unter Stress haaren bekanntlich wie wild…
Die erste größere Hürde war genommen, ab ging es in die Kabine. Auch, wenn unsere Sturdi Bags genau den erlaubten Dimensionen für den Tiertransport in der Kabine entsprachen, passten sie aber nicht völlig unter den Vordersitz – gut für die Katzen, schlecht für unsere Füße… Laut Bestimmungen der Airline müssen Katzen die ganze Zeit über in der Transporttasche verbleiben. Diese muss vorschriftsmäßig geschlossen sein und an ihrem Platz verbleiben. In unserem Fall erlaubte uns die Stewardess, die Taschen nach Start und vor der Landung auf den Schoß zu nehmen, vorsichtig eine Hand hereinzustecken und die Katzen zu beruhigen. Bei dem verbleibenden Platzangebot schafften wir es leider nicht, die Taschen einigermaßen problemlos auf den Schoß zu nehmen – von dem Angebot, die Katzen mit einer Hand im Transportkorb zu beruhigen, haben wir aber fleißig Gebrauch gemacht. Die Atembewegungen der Katze zu spüren ist besonders beruhigend, wenn diese nicht mehr auf Zurufe reagiert – sei es aus Angst oder vor lauter Entsetzen über die „ungerechte“ Behandlung… Ein wenig Katzenpaste (die ich unter normalern Umständen nie geben würde…) verleitet die Miezen zum Schlucken und nimmt so eventuellen Druck auf den Ohren.
Leider war die Verabreichung von Wasser nicht so einfach wie gedacht. Nicht jede Katze trinkt während der Reise freiwillig – und 24 Stunden ohne Wasser sind sehr lang… Für den Notfall hatte ich eine kleine Einwegspritze mitgenommen, doch leider hatten Fleckli und Sakura im Transportkorb zu viele Möglichkeiten, sich zu entziehen. Dafür hatte ich später nach Ankunft in Amerika das erste Mal die Gelegenheit, die beiden „freiwillig“ aus dem Wassernapf trinken zu sehen – und das trotz penetrantem Chlorgeruch…
Während die erste Etappe unserer Reise sehr ruhig verlief, wurden wir beim Umsteigen in Atlanta vom Stress eingeholt. Durch den Zoll (hier interessierte man sich weder für unsere Katzen noch für das ausgestellte Gesundheitszeugnis…), Gepäck abgeholt und wieder aufgegeben, erneut durch die Sicherheitkontrolle… Während sämtliche Kinder Fleckli und Sakura mit einem lauten „Kitties!“ begrüßten, zeigten sich die Erwachsenen weniger verständnisvoll. Etliche Male wurden wir samt Katzen rücksichtslos angerempelt, auch die Sicherheitsbeamten hatten kein großes Verständnis für unsere Angst, die Katzen könnten bei der Sicherheitskontrolle entlaufen… Zitat: „How will the cat escape when you grab it?“ Zum Glück zeigte Fleckli genau im richtigen Moment, dass auch eine geduldige Katze fauchen kann – nach Hinzuziehen des Managers durften wir die beiden also doch in einem getrennten Raum auspacken und die Taschen durchleuchten lassen. Leider zeigte sich auch hier der Grund des schon seit ein paar Stunden penetranten Geruchs aus Sakuras Käfig: Unsere Kleine hatte sich völlig zugemacht und saß wie ein Häufchen Elend in meinen Armen… Leider stand der nächste Flug schon bereit, Zeit zum Säubern war nicht. Dabei zeigte sich die von mir erdachte Konstruktion mit mehreren Lagen saugfähigen Pads als nicht besonders praktisch: Das doppelseitige Klebeband hielt sie so fest zusammen, dass sie nicht mehr voneinander zu lösen waren… Wir konnten Sakuras Hinterlassenschaften so nur mit einem weiteren Pad abdecken und auf eine schnelle Ankunft hoffen.
Danach
Nach einer einstündigen Wartezeit auf dem Rollfeld und einem weiteren 6-Stunden-Flug war es soweit: Endlich waren wir in Seattle! Zum Glück kehrte schon auf dem Flughafen Leben in unsere beiden tierischen Familienmitglieder ein: Mit großen Augen wurde die Umgebung beobachtet. Im neuen Zuhause, das wir nun für acht Wochen bewohnen werden, überfielen sie gleich das neue Katzenfutter. Fleckli fühlt sich schon sehr wohl, sie verbreitet überall weiße Katzenhaare, hat das Kratzbrett fast zerlegt und bettelt alle paar Minuten nach einer neuen Kostprobe des amerikanischen Katzenfutters. Sakura ist noch etwas vorsichtiger: Die meiste Zeit verbringt sie unter dem Bett, beobachtet aber zwischendurch auch vom Fenster aus die Autos auf dem Redmond Way mit großen Augen, holt sich ihr Futter ab und spielt sogar zwischendurch. Es wird wahrscheinlich etwas dauern, bis sie wieder Vertrauen zu uns hat und uns die 24 Stunden in einem verdreckten Transportkorb verzeiht… Dafür schmust sie nachts wie ein Weltmeister: Heute hielt sie uns von zwei bis vier Uhr nachts ganze zwei Stunden mit lautem Geschnurre und „kraul-mich“-Kopfstößen wach.
Wir sehen von Tag zu Tag Fortschritte. Dass wir beide Katzen mit in die USA genommen haben bereuen wir nicht. Unsere Miezen sind beide etwas speziell und aufgrund ihrer schlechten Erfahrung mit Menschen extrem scheu – der Umzug in ein neues Zuhause wäre wahrscheinlich für beide mindestens genauso stressig gewesen wie der Flug.
Kurz und gut: Die Tipps
Allgemeingültige Tipps zum Fliegen mit Katze gibt es nicht – jede Katze ist anders, entsprechend vielfältig fallen die Reaktionen auf die neue Erfahrung aus. Dieses Kapitel mit „Die ultimativen Tipps zum Flug mit Katze“ zu benennen wäre darum mehr als vermessen… Ich kann darum nur von unseren Erfahrungen ausgehen. Bei unseren beiden Katzenmädels hat folgendes geholfen:
- Notfall-Bachblüten und Feliway: Da hat zumindest der Mensch ein gutes Gefühl…
- An der Sicherheitskontrolle müssen in der Passagierkabine reisende Tiere aus den Kennel genommen werden. Fragen Sie hier nach einem seperaten Raum und weisen Sie darauf hin, dass eine entlaufene Katze keinem hilft und den Flugverkehr erheblich aufhält – Hartnäckigkeit lohnt sich oft!
- Viele Flugbegleiter haben selber Katzen und darum Verständis für die Situation. Fragen Sie bei Bedarf einfach nach, ob sie die Transporttasche nach Erreichen der Flughöhe auf den Schoß nehmen dürfen!
- Dank Klimaanlage ist es im Flugzeug oft kühl und zieht. Ein Tuch über dem Transportkorb soll helfen – ich möchte aber nicht wissen, was unsere beiden Katzen von der völligen Dunkelheit ohne Blickkontakt gehalten hätten… Unser Sturdibag hat zum Glück mehrere Fenster, die mit Klettverschluss zu schließen sind – so konnten wir beim Tragen das vordere Fenster öffnen und im Flugzeug selber das obere. Der Vorteil: Die Katzen konnten je nach Situation die Umgebung beobachten und auch im Flugzeug Blickkontakt halten.
- Auch Katzen spüren den Druck auf den Ohren bei steigender Reisehöhe. Etwas Katzenpaste verleitet zum Schlucken und nimmt so den schlimmsten Druck. Wichtig: Lassen Sie die Katze beim Griff in den Transportkorb nicht entwischen…
- Nicht jede Katze möchte während der Reise trinken – trotz Durst verweigern viele Miezen die Flüssigkeitsaufnahme. Zutraulichen Katzen kann man mit einer Einmalspritze ohne Nadel etwas Flüssigkeit in das Maul spritzen. In ganz harten Fällen hilft ein Mix aus Kondensmilch (…gibt es oft kostenlos zum ausgegebenen Tee dazu… ) und stillem Wasser bzw. aufgetauten Eiswürfeln…
- Auch, wenn sich der Zoll nicht für die Katzen interessieren sollte, ist ein Gesundheitszeugnis ein Muss. Ohne dieses ist keine Einreise und oft auch keine Rückreise möglich. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage der jeweiligen Botschaft.
- Im neuen Zuhause helfen Feliway und viel Ruhe….
Wir wünschen allen, die mit Katze umziehen oder fliegen, viel Erfolg, viel Ruhe und Geduld sowie nettes Sicherheitspersonal am Flughafen und verständnisvolle Flugbegleiter!
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