Passend zum 31. Oktober, an dem mittlerweile fast überall auf der Welt Halloween gefeiert wird, hat Historiker Utz Anhalt die teilweise gruselige, „abergläubige“ Geschichte unserer Katzen verfasst. Galt sie bei den Germanen als Göttin der Lust, wurde sie von der Kirche verschrien und im Mittelalter verbrannt – und sind heute dank ihres eigenen Zaubers fester Bestandteil unserer Familien.
Die europäische Wildkatze galt den Germanen als Symbol der körperlichen Liebe: Freya, die Göttin der Sexualität, reiste in einem Wagen, den Wildkatzen zogen. Der Freyatag, der Freitag, war der Hochzeitstag, die rolligen Katzen, unüberhörbar in ihrem Lustmaunzen, passten dazu – und gerade diese Verbindung zur Fruchtbarkeit brachte die Katzen in christlichen Zeiten auf die Scheiterhäufen. Die Sexualität der Frau wurde dem christlichen Klerus der Inbegriff vom Werk des Satans, die Katze wurde zu seinem Tier. Aus der Göttin Freya wurde die Hexe, die in Katzengestalt ihre bösen Taten verübt.
Schwarze Katzen mit feurigen Augen
Der Mönch Berthold von Regensburg hetzte gegen die Katze: „Der Atem, der aus ihrem Halse geht, ist Pest; und wenn sie Wasser trinkt und es fällt eine Träne aus ihren Augen, so ist die Träne verdorben: Jeder, der fortan von ihr trinkt, erfährt den Tod.“
Im 13. Jh. tritt der Teufel als schwarze Katze mit feurigen Augen auf. Der selige Dominikus soll 1235 neun vom Teufel besessene Frauen bekehrt haben. Dieser Teufel sah folgendermaßen aus: „Die Augen dieser Katze glichen denen eines Ochsen, ja, sie waren wie eine Flamme; das Tier streckte die Zunge heraus, die einen halben Fuß lang war und einer Flamme ähnelte; es hatte einen Schwanz von fast halber Armeslänge und war so groß wie ein Hund; auf Befehl des Heiligen entschlüpfte es durch das Loch, welches man für das Glockenseil gelassen hatte.“ Noch heute glauben viele, dass schwarze Katzen besondere Eigenschaften hätten. Biologisch ist das Unsinn.
Die englischen Hexen hielten angeblich keine schwarzen, sondern weiß gefleckte Katzen. Durch diese Katzen übten sie Schadenszauber. 1565 standen Agnes Waterhouse und ihre Tochter zusammen mit Elizabeth Francis vor Gericht wegen Hexerei. Dies belegte angeblich – eine Katze. Elizabeth Großmutter hätte dem Teufel ihr Blut gegeben; und sie hätte es ihm überreicht in Form einer weiß gefleckten Katze. Dieses Tier hätte dann ihr Kind und ihren Liebhaber ermordet. Die Großmutter schenkte den Killer Agnes Waterhouse. Die wiederum hätte die Katze auf ihren Ehemann gehetzt, und diesen so getötet – außerdem einen Nachbarn. Agnes Waterhouse wurde als Hexe hingerichtet.
Katzen fühlen, wenn Regen kommt und streichen sich mit ihren Pfoten über die Ohren. Deshalb glaubten die Engländer, dass sie Sturm und Gewitter auslösten. Agnes Sampson stand deswegen vor Gericht: „Die Hexe hat die Katze mit in die Kirche genommen, Sie taufte sie und band ihr nachher mehrere Knochen eines getöteten Menschen um. Die Knochen hatte sie auf dem Friedhof gestohlen. Hierauf schwang sich die Hexe auf ihren Besen, nahm die Katze auf den Arm und sauste weit ins Meer hinaus. Dort ließ sie die Katze los, welche, um nicht ins Wasser zu fallen, einen entsetzlichen Sturmwind entfesselte. Der Sturm bedrohte die Stadt Leith.“
Katzen auf dem Scheiterhaufen
Katzen litten im Mittelalter unter Aberglauben ebenso wie unter gewöhnlicher Tierquälerei, und beides vermischte sich. Katzen zu ertränken, lebendig zu verbrennen oder tot zu schlagen belustigte das Volk. Außerdem verbündeten sich die Katzen angeblich mit den jeweiligen Feinden: Papst Innozenz VIII. befahl, mit den Hexen auch deren Katzen zu verbrennen; Elisabeth I. hingegen ließ einen mit Katzen gefüllten Korb abfackeln; auf ihm prangte ein Bild des Papstes. Die Todesschreie der Opfer „bewiesen“, dass der Teufel aus dem Körper des Papstes floh.
In Frankreich warf man lebendige Katzen in das Johannisfeuer, denn an diesem Tag würden sie dem Teufel huldigen. 1604 wurden die Katzenverbrennungen in Frankreich verboten, weil der kindliche König Mitleid mit den Tieren hatte. Doch in Ypern wurden Katzen weiterhin in der Johannisnacht von den Stadttürmen geschmissen.
Dieser Brauch diente wohl ursprünglich als Bekenntnis, um dem heidnischen Freya-Kult abzuschwören. Konvertiten werden schnell fanatisch, um zu beweisen, dass sie wirklich die Seiten gewechselt haben. Es reichte nicht, Katzen nicht mehr zu verehren; die zuvor Verehrten mussten vernichtet werden.
Die Hexenkatze
Hexen und Katzen gehörten für die Verfolger zusammen wie die Sonne und die Sahara. Der Propst Martin le Franc dichtete sich 1440 den Hexensabbat zusammen. Dort sollten zehntausend alte Weiber den Teufel in Gestalt einer Katze anbeten. Er ließ allerdings offen, ob die Frauen sich diesen Katzenteufel nur einbildeten.
„Werkatzen“ schilderte 1420 auch Johannes Hartlieb, der Arzt von Albrecht III. von Bayern. In Rom hätte eine Katze ein Kind in der Wiege gebissen. Der Vater des Kindes hätte die Katze mit einem Messer verletzt. Eine Nachbarin verhielt sich danach merkwürdig und hätte Stichwunden am Leib gehabt. Vor Gericht hätte sie gestanden, eine Hexe zu sein und sei verbrannt worden.
Die Theologen waren sich im 15. Jh. nicht sicher, ob „Hexen“ zu derlei Tierverwandlungen fähig waren. Immerhin bestritt der heilige Augustinus, dass Menschen sich in Tiere verwandelten. Der Dominikaner Giordano von Bergamo hielt 1460 solche Erscheinungen folgerichtig für Blendwerk des Teufels: Der Leibhaftige bilde mit Wasserdampf und Luft eine Figur und belebe diese. In dieser Katzengestalt ziehe er durch die Städte und töte Kinder. Außerdem dringe er in die Träume der Hexen ein, so dass diese selbst glaubten, sich in Katzen zu verwandeln.
Hexenkatzen erklärten rätselhafte Kindstode. So berichtete 1520 der Inquisitor von Ferrara, Bartolomeo Spina, zwei Katzen seien in ein geschlossenes Zimmer eingebrochen. Wenige Tage später sei das Kind gestorben – ohne einen Tropfen Blut im Körper. Spina vermutete, dass ein Dämon die Illusion einer Katze zwischen die Hexe und ihr Opfer schiebe. Die Hexe bringe dem Heimgesuchten mit ihren Nägeln kleine Wunden bei und entziehe ihr so das Blut. Der Hexenrichter Nicolas Remy behauptete, Dämonen in Katzenform ließen sich von wirklichen Katzen durch ihre Aggressivität unterscheiden.
In Lothringen glaubten die Menschen an Hexenkatzen in vielfältiger Gestalt. Katzen sprangen hier auf schwangere Frauen, damit diese ihr Kind verlören, Hexen schlichen sich as Katzen in Häuser ein um ihre Opfer zu erdrosseln und alte Frauen zeigten die Spuren von Schlägen, die Katzen erhalten hatten. In Friaul verwandelte sich hingegen der Geist einer Hexe in eine Katze, indem er sich vom Körper löste. Die alte Vorstellung der Schamanen, nach dem die Seele in Tiergestalt die Welt der Geister bereist, ging hier über in die Verfolgung von Hexen.
Glücklicherweise scheinen wir diese dunklen Zeiten mittlerweile überwunden zu haben – oder sind auf dem besten Wege. Die Katze ist in den meisten westlichen Ländern Haustier Nummer 1 und geliebtes Familienmitglied.
Über den Autor:
Dr. Utz Anhalt studierte Geschichte und Politik mit Schwerpunkt historische Anthropologie von Mensch und Wildtier. 1999 verfasste er seinen Magister über den Werwolfmythos, seit 2007 ist er Doktor der Philosophie über die Geschichte der Zoos. Der Dozent, Publizist und Autor arbeitet unter anderem für Nautilus – das Magazin für Abenteuer und Fantastik, Karfunkel, Miroque, Museum aktuell, ExpoTime, Wolfmagazin, Zillo Medieval, Sitz-Platz-Fuß, Sopos, Frankfurter Allgemeine, Junge Welt, Neues Deutschland, Freitag, Der Fall, Veröffentlichungen über Wolf und Mensch – unter anderem Wolfmagazin, Abenteuer Wissen 2003, Welt der Wunder 2005, Galileo Mystery 2007, History Channel 2009, Planetopia 2010, MDR 2012. Feldforschung bei Indigenen in USA / Mexiko, in Venezuela, Tansania / Uganda, Indien und 2013 Iran.
Bibliografie Auswahl:
Der Werwolf – Ausgewählte Aspekte einer Figur der europäischen Mythengeschichte. Magisterarbeit. E-Text im Historicum.net unter Hexenforschung, 1999
Tiere und Menschen als Exoten – Die Exotisierung des „Anderen“ in der Gründungs- und Entwicklungsphase der Zoos. Doktorarbeit 2007. VDM-Verlag
Die gemeinsame Geschichte von Wolf und Mensch – Wolfsmenschen und Werwölfe. Cadmos 2013
Er ist auch Autor verschiedener Anthologien im Bereich Fantasy/Dark Fantasy:
Der Mac Donalds Poltergeist. In „Von einigen, die auszogen, das Gruseln zu lernen“. Persimplex 2009
Blutvulkane in bezahnter Nacht. In „… und die Toten tanzen“. Intrag 2006
Wolfsfreiheit. In: „Das Haus am Ende des Weges.“ Karin Schweitzer 2013.
Der Muttersohn. In: „Weltentor Fantasy“. Noel 2013.
Die Kinder der Blutsuppenstadt. In: „Oberhorror“. Chaotic Revlry 2013.
Winterheulten. In: Winterwolf Anthologie. Books on demand Oktober 2015.
Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des Autoren unter www.utzanhalt.de.
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