Über wohl kaum ein Thema wird in Internet-Katzen-Foren und bei persönlichen Treffen von Katzenfreunden so heiß diskutiert wie über die Katzenernährung. Verwunderlich ist, dass Bücher zum Thema leider immer noch Mangelware sind – und da auch der Tierarzt selten ein Ernährungsfachmann ist und die Angaben auf der Katzenfutterdose ohne Einarbeitung kaum zu entziffern ist, herrscht oft gefährliches Halbwissen zum Thema Ernährung. Mit dem wachsenden Interesse daran, wie gut der Inhalt in der Futterdose wirklich ist, häuft sich auch die Kritik an der Katzenfutterindustrie. Doch wer ist wirklich dafür zuständig, dass die Nahrung meiner Katze alles enthält, was sie benötigt – und möglichst wenig von dem, was ihr schaden könnte? Ist es die Futtermittelindustrie oder der Tierarzt? Wie weit stehen wir als Katzenhalter in der Verantwortung?
Als die Firma Mars 1958 das erste Dosenfutter für Katzen unter dem Namen Whiskas herausbrachte, wurde das Leben von Katzenhaltern unkompliziert – und die Ernährung vieler Katzen ausgewogener. Staat Selbstgekochtem und Küchenabfällen gab es nun maßgeschneiderte Nahrung direkt raus der Dose. „Katzen würden Whiskas kaufen!“ lautet auch heute noch der Slogan der bekannten Katzenfuttermarke. Ausgesprochene Begeisterung ist von Katzenhaltern aber kaum noch zu vernehmen. Viel zu häufig wird Zweifel an der Zusammensetzung der bequemen Dosen und Trocken-Kroketten laut, geraten Zusammensetzung und Analyse in Kritik und mit ihnen die Tierfutterindustrie selber. „Katzen würden Mäuse kaufen“, das Schwarzbuch Tierfutter von Hans-Ulrich Grimm und der Siegeszug der Rohernährung haben viele Katzenhalter aufgerüttelt.
Die Katzenfutterindustrie
Doch ist die Katzenfutterindustrie schuld daran, dass Zivilisationskrankheiten und Übergewicht Alltag in jeder Tierarztpraxis sind? Bedingt. Wir als besorgte Katzenhalter vergessen gerne, dass Katzenfutterhersteller in erster Linie Unternehmen sind, die ihr Produkt verkaufen können und müssen. Die Nachfrage bestimmt den Preis und die produzierte Menge – und anders herum. Leider ist der Mensch von Natur aus bequem, so dass günstiges und bequem im Supermarktregal stehendes Katzenfutter mit einem süßen Kitten auf dem farbigen Etikett nach wie vor im Großteil der knapp acht Millionen Katzenfutternäpfe in Deutschland landet. Das Nachsehen haben qualitativ hochwertige Marken, die mit einer ausgewogenen Zusammensetzung aus hochwertigen und natürlichen Inhaltsstoffen aufwarten. Dem durchschnittlichen Katzenhalter sind sie einfach zu teuer und der Beschaffungsweg über den spezialisierten Handel oder Online-Shop zu kompliziert. „Nachbars Katze ist mit dem günstigsten No-Name-Katzenfutter vom Discounter 17 Jahre alt geworden – da kann ich meiner Mieze mit dem bekannten Katzenfutter aus der Werbung doch nur einen Gefallen tun!“ Dieses Denken ist natürlich im Sinne der Katzenfutterindustrie. Würde ein Produzent seinen tierischen Kunden bewusst schaden wollen, würde er sich strafbar machen. Doch um den Preis auch bei schwankenden Kosten für Rohprodukte stabil halten zu können, werden einzelne Inhaltsstoffe gerne ausgetauscht und durch günstigere Produkte ersetzt. Deklariert werden solche Rezepturänderungen natürlich in der Inhaltsstoffliste auf der Verpackung – doch welcher Katzenhalter liest die schon genau… Doch ist die Katzenfutterindustrie so „schuld“ daran, dass immer mehr trockengefütterte Katzen unter Harngries und Zahnstein leiden? Und wenn nicht der Produzent verantwortlich ist – wer ist es dann? Der Tierarzt?
Der Tierarzt
Was Katzenhalter gerne vergessen: Im veterinärmedizinischen Studium stehen nicht nur unsere Fellnasen, sondern auch Hunde, Kaninchen, Hamster, Pferde, Reptilien und anderes Getier auf dem Lehrplan. Wer sich hier nicht schon früh spezialisiert, wird nicht in allen Belangen um jede Tierart Experte sein. Nicht jeder Tierarzt ist darum der beste Ansprechpartner, wenn es um Diskussionen rund um die Katzenernährung geht.
„Erinnern Sie sich an eine alte Fernsehwerbung für Zahnpasta, bei der acht von zehn Zahnärzten eine bestimmte Marke empfohlen? Diese brillante Kampagne brachte diese Firma an die Spitze der Zahnpasta-Verkäufe“, schreibt Kymythy R. Schultze in ihrem Text„Feline Nutrition: Who bears the responsibility“, der mich zu diesem Artikel bewegte. Die Vorteile dieses Empfehlung-Marketings hat auch die Tierfutterindustrie erkannt. Schon im Studium erhalten angehende Tierärzte zu Kurz-Broschüren zu den wichtigsten Tierernährungs-Fakts in die Hand gedrückt – nicht selten mit besonders günstigen Konditionen für das hauseigene Tierfutter oder gar organisatorische Hilfe beim Aufbau der eigenen Praxis. Und welcher Jungtierarzt während der schwierigen Phase der Praxisgründung kann hier wiederstehen… „Als ich Tierernährung am Cornell University’s College of Veterinary Medicine studiert habe, waren nur wenige Professoren bezahlte Angestellte der Tierfutter-Firmen“, schreibt Kymythy R. Schultze in ihrem Artikel. Besonders in ihrem Gedächtnis eingebrannt habe sich eine bestimmte Vorlesung, bei der eine Dozentin Vor- und Nachteile verschiedener Futtersorten und Darreichungsformen diskutierte. „Während sie über semi-feuchte Produkte referierte, erwähnte sie plötzlich, dass sie diese Produkte niemals an ihre eigenen Tiere verfüttern würde. Dann lachte sie nervös und sagte „Oh, mein Chef würde mich töten, wenn er das gehört hätte.““
Natürlich sind nicht alle Tierärzte unerfahren in Sachen Katzenernährung und finanzierten ihre Praxis mit freundlicher Unterstützung der Tierfutterindustrie. Ihren tierischen Patienten aus Absicht schaden wollen sie schon gar nicht. „Pures Gift“ ist wohl kaum ein Katzenfutter – von einigen Futterskandalen abgesehen. Die meisten Fertigfutterprodukte ernähren die Katze mit den nötigen Nährstoffen, wenn dem kritischen Katzenhalter auch Zweifel an der Notwendigkeit von Reis an der ersten Stelle der Inhaltsstoffliste und „pflanzlichen Fasern“ zur Zahnreinigung aufkommen sollte.
Katzenhalter sollten die Verbindungen der Tierfutterindustrie und die Grenzen des tiermedizinischen Ausbildung verstehen, um eine gute Entscheidung für ihre Katzen treffen zu können. Zu Schuldzuweisungen sollte dies aber keinesfalls führen, sondern uns umso deutlicher zeigen, wer für die Ernährung unseres Vierbeiners zuständig ist: Wir. Nur wir können das richtige Katzenfutter für unsere Katze auswählen und sie artgerecht ernähren. Es liegt an uns, Tierfutteretiketten zu lesen und zu verstehen, bei Zweifel einen kompetenten Tierarzt oder Ernährungsexperten aufzusuchen und um Rat zu fragen – oder eventuell auch einmal in veterinärmedizinischen Fachbüchern und Artikeln zu recherchieren.
Zum Weiterlesen:
Neue Verordnung für Futtermitteletiketten
Gleiche Dose, anderer Inhalt: Rezepturänderungen beim Katzenfutter
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